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Alexej Nawalny ist tot Von Russlands Krieg gegen die Ukraine in den Schatten gestellt

Alexej Nawalny war der bekannteste russische Oppositionelle. In ihn steckten Millionen von Menschen ihre Hoffnung für ein neues Russland nach Putin. Diese Hoffnungen sind mit ihm gestorben.

Warum ist Nawalny nach Russland zurückgekehrt? Eine oft gestellte Frage, wenn es um den bekanntesten politischen Häftling des Landes geht. Der Hintergrund: Im August 2020 wurde Alexej Nawalny in Sibirien mit dem sowjetischen Chemiekampfstoff Nowitschok vergiftet. Er beschuldigte dafür die russischen Geheimdienste und präsentierte später auch Indizien dafür. Nach notfallmässiger Rettung vor Ort wurde er später nach Deutschland geflogen. Dort dauerte die Genesung mehrere Monate. 

Im Januar 2021 kehrte Nawalny nach Russland zurück – obwohl er sich des Risikos bewusst war, dort verhaftet zu werden. Und genau so kam es. Russische Gerichte verurteilten ihn zu mehreren Gefängnisstrafen – unter anderem 19 Jahre wegen angeblichem Extremismus.

Nawalny.
Legende: Geriet in den Schatten kolossaler weltpolitischer Veränderungen: Alexej Nawalny. Reuters/Tatyana Makeyeva

Nawalny hat damals wohl gehofft, dass seine Rückkehr und die Verhaftung in Russland zu grossen Protesten führen würden. Er wollte Putin und den Kreml herausfordern. Grund zur Hoffnung mag er aus der Vergangenheit geschöpft haben. 2013 wurde er bereits einmal zu fünf Jahren Haft verurteilt. Darauf gingen in Moskau und anderen Städten Tausende Menschen auf die Strasse. Und sie erreichten ihr Ziel. In einer seltenen Geste des Zurückkrebsens änderte das Gericht die Entscheidung und liess Nawalny auf Bewährung frei.

Symbolische Verlegung ins Nichts

Aber ein Jahrzehnt später haben sich die Zeiten in Russland grundlegend geändert. Im Februar 2022 marschieren die russischen Truppen in die Ukraine ein. Etwas, womit auch Nawalny wohl nicht gerechnet hat. Sein Schicksal als bekanntester Polithäftling stand auf einmal im Schatten der kolossalen weltpolitischen Veränderungen. Es gibt kaum noch westliche Politiker, die nach Moskau kommen, und somit keine hohen Besucher, die die Freilassung Nawalnys auf ihrer Agenda hätten.

Insofern war seine kürzliche Verlegung in eine Strafanstalt am Polarkreis, weit weg von Moskau und Europa, auch symbolisch für seine Situation. Er war weit weg von der weltweiten politischen Agenda. Im Zentrum stehen jetzt der ukrainische Verteidigungskampf, die Diskussionen im amerikanischen Parlament über weitere Waffenlieferungen oder die Aufrüstung in Europa.

Kein russischer Nelson Mandela

Es gibt viele Menschen in Russland, die darauf gehofft haben, dass Nawalny eine Art russischer Nelson Mandela wird. Einer, der die jahrelange Lagerhaft übersteht, sich nicht beugen lässt und dann bei einer radikalen Änderung des innenpolitischen Kurses das Zepter übernimmt. Mit seiner Mischung aus nationalistischer und patriotischer Gesinnung, aber auch seinem Kampf gegen Korruption und für den Rechtsstaat hat er viele Menschen im Land angesprochen. Es wäre spannend gewesen, ihn an der Spitze des grössten Landes der Welt zu sehen. Dazu wird es nicht kommen.

Christof Franzen

SRF-Sonderkorrespondent

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Christof Franzen ist Redaktor für Dokumentarfilme und Reportagen. Er arbeitet seit 2003 für SRF und kehrte 2018 nach 13 Jahren als Russland-Korrespondent in die Schweiz zurück. Seither reiste er für verschiedene Produktionen immer wieder nach Russland.

SRF 4 News, 16.02.2024; 13 Uhr

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