Markus Hardert hat beim Joggen und Wandern immer wieder unerwartete Begegnungen mit Tieren in Not. Im Interview erzählt er von seiner letzten Rettungsaktion im Wald.
SRF 1: Wo warst du am Samstagvormittag unterwegs und was ist genau passiert?
Markus Hardert: Ich jogge regelmässig durch den Wald. Auf dem letzten Stück vom Weg lag ein Tier. Es war ein Rehbock mit einem Band im Geweih verwickelt. Es war von einem Weidezaun, solche, die um eine Kuh-Wiese gezogen werden. Wie sollte ich das Reh vom Draht befreien? Das ist ja schliesslich kein Haustier, das man einfach anfassen kann.
Der Rehbock war also von einem Stromband umwickelt?
Ja, genau. Das Band war ein paar Zentimeter breit, mit vier, fünf Drähten dran, parallel. Das konnte man nicht einfach von Hand zerreissen. Die Drähte sind ziemlich stabil.
War das Band denn noch unter Strom?
Nein, das wurde ja abgerissen. Das andere Ende vom Seil endete irgendwo im Wald. Es lag es unter einem Felsen und war mehrmals um den Brocken gewickelt.
Insgesamt waren es fast 20-Meter-Band gewesen, die er mitgeschleppt hat.
Wir stellen uns das vor: Du bist am Joggen, du kommst an diesen Ort. Du siehst den Rehbock mit dem verwickelten Band im Geweih. Der Rehbock kommt nicht weiter. Was hast du dann gemacht?
Ich hatte kein Sackmesser, aber es gab Häuser in der Nähe. Ich wollte da hingehen und nach einem Werkzeug fragen. Aber dann ist der Rehbock aufgesprungen und davon gerannt. Nach ein paar Metern spannte sich das Band. Der Körper hing kurz in der Luft und fiel zu Boden. Er sprang wieder auf und lief in eine andere Richtung, mit demselben Ergebnis. Das sah richtig schmerzhaft aus. Ich hatte Angst, dass er sich das Genick bricht, deshalb musste ich sofort handeln. Ich rannte zu den Häusern und holte ein Messer. Falls es nicht klappt, würde ich den Wildhüter rufen.
Wie ging es weiter?
Als ich zurückkam, lag der Rehbock ruhig am Boden, leicht ab vom Weg in der Böschung. Mit der Messerspitze habe ich an dem Band geschnitten. Als es durch war, fing ich an, die Reste aufzusammeln. Der Rehbock stand auf und machte sich auf den Weg. Zuerst langsam und immer schneller, bis er mit einem Sprung im Wald verschwand. Er hatte noch ein Stück vom Band am Geweih, aber den Rest war er los. Insgesamt waren es fast 20-Meter-Band gewesen, die er mitgeschleppt hat.
Du hast den Wildhüter erwähnt. Hast du richtig gehandelt, oder hättest du den Wildhüter rufen sollen?
Ich hätte den Wildhüter rufen können, aber wie lange hätte ich warten müssen? Weil ich Angst hatte, dass das Tier sich verletzt, habe ich gehandelt, als es ruhig war. Später habe ich den Wildhüter informiert. Er meinte, dass der Rehbock schon gesichtet wurde. Sie hatten gehofft, dass er sich irgendwo verknotet, damit sie ihn dann finden und befreien könnten.
Also hast du zum Glück richtig gehandelt! Das war nicht das erste Mal, dass dir so etwas passiert ist. Einmal war auch ein Schaf in ein Band verwickelt. Und dann gab es noch die Geschichte mit dem Vogel?
Ich war auf einer Wanderung auf dem Widderfeldstock. Kurz vor dem Gipfel ist ein Zaun, wo man ins Tal schauen kann. Als ich ein Foto machen wollte, sah ich wie etwas flatterte unter dem Zaun. Der Vogel hatte sein Bein im Draht verwickelt und klemmte fest. Ich habe dann sein Bein vom Draht entwickelt und mit dem Finger ganz vorsichtig seinen Fuss herausgeschoben. Als er merkte, dass er frei war, flog der Vogel weg.
Nochmal zurück zum Rehbock. Was hattest du für ein Gefühl, als dieser wieder frei war?
Ich weiss nicht, wie lange der Rehbock festgesteckt war. Aber die Rettung hat bei mir ein Glücksgefühl von Freiheit ausgelöst.
Das Gespräch führte Adrian Küpfer.