Kleine Rehe, Dachse und Füchse: Mit dem Frühling fängt in der Natur auch die Jungtiersaison an. Weil mehr Tiere im Wald und auf den Strassen unterwegs sind, bedeutet das auch mehr Verkehrsunfälle mit Wildtieren.
20'000 Wildunfälle pro Jahr
Ein Blick in die Statistik zeigt: Vor allem in den Frühlings- und Herbstmonaten häufen sich die Unfälle. Jedes Jahr sterben auf diese Weise im Schnitt um die 20'000 Wildtiere.
Die Dunkelziffer dürfte aber weit höher sein. Nicht nur, weil in der Statistik lediglich grössere Säugetiere von Feldhase bis Hirsch erfasst sind, sondern weil nicht alle Unfälle gemeldet werden.
Ich verstehe nicht, wie man einfach weiterfahren kann.
Wer davonfährt, macht sich strafbar
«Ein Wildunfall kann jedem passieren, auch wenn man vorsichtig fährt», sagt der Berner Wildhüter Jürg Knutti. «Aber ich verstehe nicht, wie man einfach weiterfahren kann.»
Klar ist: Wer davonfährt und die Kollision nicht meldet, macht sich strafbar. Und nimmt in Kauf, dass verletzte Wildtiere unnötig lange leiden. Situationen, die das Wildhüterherz schmerzen.
«Wir haben zum Beispiel zwei Rehböcke in der Nähe einer Strasse gefunden: verletzt, völlig dehydriert. Die lagen bestimmt schon mehrere Tage dort», erzählt Wildhüter Jürg Knutti. Ihm bleibt in den allermeisten Fällen nichts anderes übrig, als die Tiere mit einem Schuss von ihrem Leiden zu erlösen.
Ein Wildtier anzufahren ist ein Offizialdelikt: Hat die Polizei oder Wildhut Kenntnis von einem Unfall, muss sie die Ermittlungen aufnehmen. «Die Erfolgsquote ist erfahrungsgemäss am höchsten, wenn ein Unfall zum Beispiel vom Autofahrer dahinter beobachtet und uns dann gemeldet wird.»
Busse wegen Tierquälerei
Aber auch Fahrzeugteile, die bei der Kollision kaputtgehen, wie zum Beispiel Stossstange oder Licht, können wichtige Hinweise liefern. «Dann heisst es, Garagen abklappern oder am Strassenrand warten», so Wildhüter Knutti.
Wer erwischt wird, dem droht eine Busse wegen pflichtwidrigem Verhalten an der Unfallstelle – wenn das Tier bei der Kollision getötet wurde. «Hat man ein verletztes Tier sich selbst überlassen, dann ist das eine andere Nummer», weiss Jürg Knutti.
Wir rücken lieber zehnmal zu viel aus, als einmal zu wenig.
Stichwort Tierquälerei. «Es ist dann ein Vergehen und es gibt eine einkommensabhängige Busse.»
Jürg Knutti geht es nicht nur um das Gesetz: «Es ist eine Frage der Moral und des Respekts.» Eine Kollision zu melden, sei das Beste, was man für das Tier machen könne. «Auch wenn man unsicher ist, ob man es wirklich erwischt hat. Wir rücken lieber zehnmal zu viel aus, als einmal zu wenig.»