Süssigkeiten, Zeitungen, Lottoscheine und Geldtransfers in seine Heimat – das bot ein junger Mann in seinem kleinen, unauffälligen Kiosk in Zürich an. Parallel dazu fungierte er als Geldwäscher für kriminelle Clans. Wie Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Zürich aufdeckten, wurden über vier Jahre mehrere Hunderttausend Franken aus kriminellen Taten gewaschen. Im März dieses Jahres wurde der unscheinbare Mann verurteilt.
Kleinläden, welche nebenan Geld waschen, gibt es viele und das in allen Kantonen der Schweiz. 2024 sind über 15'000 Verdachtsmeldungen zur Geldwäscherei eingegangen. Das sind rund 60 pro Werktag.
Als Beispiele für Geldwaschstellen nennt das Bundesamt für Polizei (fedpol) Barbershops, Nagelstudios oder Imbiss-Stände. Auffällig an all diesen Gewerben ist, dass sie unauffällig sind. Und das ist auch ein Merkmal ihrer Betreiber, den Mitgliedern der organisierten Kriminalität, beispielsweise der 'Ndrangheta.
Unauffällig, aber bedrohlich
«Die Mitglieder der organisierten Kriminalität versuchen, eine legale Fassade aufrechtzuerhalten, um im Hintergrund illegalen Aktivitäten nachzugehen. Dadurch sind sie oft unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung», sagt Patrick Jean, Mediensprecher des Bundesamts für Polizei (fedpol).
In der Schweiz gebe es unzählige solcher Gruppen und Untergruppen, die alle aus dem Ausland kämen. Sie seien in allen Wirtschaftssektoren tätig, erklärt Stephanie Oesch, Politikwissenschaftlerin und Expertin für die organisierte Kriminalität.
Anwesend sind diese kriminellen Netzwerke immer dort, wo es Geld gibt. Sei es im Handel mit Betäubungsmitteln, Menschenhandel oder bei grossangelegten Betrugsmaschen, etwa in Form von Online-Betrugsfällen, erklärt Expertin Stephanie Oesch.
Organisierte Kriminalität will den Staat unterwandern
«Organisierte Kriminalität versucht immer den Rechtsstaat und die Wirtschaft zu unterwandern, um Einfluss zu gewinnen und möglichst ungestört ihren kriminellen Aktivitäten nachzugehen», sagt Patrick Jean.
Es gab auf verschiedenen Staatsebenen schon Verbindungen zu Personen, bei denen teilweise eine Nähe zur organisierten Kriminalität besteht.
Gemäss Stephanie Oesch suchen Mitglieder der Organisierten Kriminalität deshalb gezielt die Nähe zu einflussreichen Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. «Kriminelle Netzwerke wollen ihre Einflussnahme in der Schweiz vergrössern. Dafür brauchen sie Rahmenbedingungen, welche für ihre Geschäfte förderlich sind».
Entscheide in Behörde selbst treffen
Fedpol-Mediensprecher Patrick Jean bestätigt, dass es in Einzelfällen zu Beeinflussungsversuchen kommt: «Es gab auf verschiedenen Staatsebenen schon Verbindungen zu Personen, bei denen es teilweise eine nachgewiesene Nähe zu Netzwerken der organisierten Kriminalität gibt.» Zum Teil werde innerhalb des kriminellen Netzwerks gezielt nach jemandem gesucht, der zu einer bestimmten Zeit bei einer bestimmten Behörde arbeiten kann, um beispielsweise einen Antrag durchzuwinken.
Da Straftaten im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität in der Schweiz stetig zunehmen, gab der Bundesrat der Bundespolizei (fedpol) den Auftrag, eine neue Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität auszuarbeiten. Diese sei momentan in Entwicklung, heisst es auf Anfrage. Mit ersten Umsetzungen der Strategie ist Ende 2026 zu rechnen.