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Von Politik bis Wirtschaft Kriminelle Netzwerke knüpfen Kontakte zur Macht

Eine legale Fassade, dahinter illegale Aktivitäten: Die organisierte Kriminalität will hierzulande an Einfluss gewinnen.

Süssigkeiten, Zeitungen, Lottoscheine und Geldtransfers in seine Heimat – das bot ein junger Mann in seinem kleinen, unauffälligen Kiosk in Zürich an. Parallel dazu fungierte er als Geldwäscher für kriminelle Clans. Wie Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Zürich aufdeckten, wurden über vier Jahre mehrere Hunderttausend Franken aus kriminellen Taten gewaschen. Im März dieses Jahres wurde der unscheinbare Mann verurteilt.

Kleinläden, welche nebenan Geld waschen, gibt es viele und das in allen Kantonen der Schweiz. 2024 sind über 15'000 Verdachtsmeldungen zur Geldwäscherei eingegangen. Das sind rund 60 pro Werktag.

Polizeieinsatz
Legende: Gegenüber dem Vorjahr haben 2024 die Verdachtsmeldungen zur Geldwäscherei über ein Viertel zugenommen. Keystone/Alessandro della Valle

Als Beispiele für Geldwaschstellen nennt das Bundesamt für Polizei (fedpol) Barbershops, Nagelstudios oder Imbiss-Stände. Auffällig an all diesen Gewerben ist, dass sie unauffällig sind. Und das ist auch ein Merkmal ihrer Betreiber, den Mitgliedern der organisierten Kriminalität, beispielsweise der 'Ndrangheta.

Unauffällig, aber bedrohlich

«Die Mitglieder der organisierten Kriminalität versuchen, eine legale Fassade aufrechtzuerhalten, um im Hintergrund illegalen Aktivitäten nachzugehen. Dadurch sind sie oft unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung», sagt Patrick Jean, Mediensprecher des Bundesamts für Polizei (fedpol).

In der Schweiz gebe es unzählige solcher Gruppen und Untergruppen, die alle aus dem Ausland kämen. Sie seien in allen Wirtschaftssektoren tätig, erklärt Stephanie Oesch, Politikwissenschaftlerin und Expertin für die organisierte Kriminalität.

So arbeiten kriminelle Organisationen zusammen

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Wie zwischen normalen Unternehmen, sagt Expertin Stephanie Oesch, arbeiten auch kriminelle Organisationen zusammen. Dabei sind die kriminellen Netzwerke gut miteinander vernetzt.

In der Regel handelt jede kriminelle Organisation nur mit einer Droge. Bei der 'Ndrangheta ist das Kokain.

Auch bei der Produktion und dem Transport sind die kriminellen Netzwerke laut Expertin Oesch abgesprochen. So würden beispielsweise beim Kokain westafrikanische Netzwerke den Transport nach Europa organisieren.

An europäischen Häfen verteilt meist eine andere Organisation die Droge in ganz Europa, beispielsweise die niederländisch-marokkanische Moccro-Mafia.

Danach werden die Drogen von regionalen Ablegern jeweils im eigenen Revier verkauft. Für das würden gezielt jugendliche Personen rekrutiert werden, welche eine geringere Strafe als Erwachsene befürchten müssen.

Anwesend sind diese kriminellen Netzwerke immer dort, wo es Geld gibt. Sei es im Handel mit Betäubungsmitteln, Menschenhandel oder bei grossangelegten Betrugsmaschen, etwa in Form von Online-Betrugsfällen, erklärt Expertin Stephanie Oesch.

Organisierte Kriminalität will den Staat unterwandern

«Organisierte Kriminalität versucht immer den Rechtsstaat und die Wirtschaft zu unterwandern, um Einfluss zu gewinnen und möglichst ungestört ihren kriminellen Aktivitäten nachzugehen», sagt Patrick Jean.

Es gab auf verschiedenen Staatsebenen schon Verbindungen zu Personen, bei denen teilweise eine Nähe zur organisierten Kriminalität besteht.
Autor: Patrick Jean Mediensprecher Bundesamt für Polizei (fedpol)

Gemäss Stephanie Oesch suchen Mitglieder der Organisierten Kriminalität deshalb gezielt die Nähe zu einflussreichen Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. «Kriminelle Netzwerke wollen ihre Einflussnahme in der Schweiz vergrössern. Dafür brauchen sie Rahmenbedingungen, welche für ihre Geschäfte förderlich sind».

Entscheide in Behörde selbst treffen

Fedpol-Mediensprecher Patrick Jean bestätigt, dass es in Einzelfällen zu Beeinflussungsversuchen kommt: «Es gab auf verschiedenen Staatsebenen schon Verbindungen zu Personen, bei denen es teilweise eine nachgewiesene Nähe zu Netzwerken der organisierten Kriminalität gibt.» Zum Teil werde innerhalb des kriminellen Netzwerks gezielt nach jemandem gesucht, der zu einer bestimmten Zeit bei einer bestimmten Behörde arbeiten kann, um beispielsweise einen Antrag durchzuwinken.

Ermittlungen sind schwierig und komplex

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«Die Ermittlung gestaltet sich schwierig, weil sie immer drei Schritte hinterherhinkt. Wenn sich zum Beispiel irgendwo ein Ableger einer Organisation bildet, sind die Kriminellen bereits wieder einen Schritt weiter, bevor es die Polizei bemerkt», sagt Expertin Stephanie Oesch.

Das Fedpol selbst, sieht die Sichtbarkeit als eine der grössten Herausforderungen: «Um organisierte Kriminalität zu bekämpfen, muss man sie erst mal als solche erkennen», sagt Patrick Jean, Mediensprecher des Fedpols.

Er ergänzt, dass die Polizei von Natur aus definierte Budgets mit begrenzten Ressourcen habe. «Im Vergleich zur organisierten Kriminalität ist dies ein grosser Unterschied. Diese verfügen über nahezu unbegrenzte Ressourcen, welche sie frei einsetzen können.»

«Oftmals handelt es sich zudem um internationale Delikte, deren Bearbeitung aufgrund von Gesuchen und Absprachen sehr aufwändig ist», sagt Oesch abschliessend.

Da Straftaten im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität in der Schweiz stetig zunehmen, gab der Bundesrat der Bundespolizei (fedpol) den Auftrag, eine neue Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität auszuarbeiten. Diese sei momentan in Entwicklung, heisst es auf Anfrage. Mit ersten Umsetzungen der Strategie ist Ende 2026 zu rechnen.

SRF 1, Treffpunkt, 15.7.2025, 10:03 Uhr

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