Darum geht es: Die italienische Mafia ist auch in der Schweiz tätig. Das ist an sich nichts Neues. In einem Interview mit der «NZZ» sagt die Fedpol-Chefin, Nicoletta della Valle, dass die europäische Polizeibehörde Europol einen verschlüsselten Kommunikationsdienst für Kriminelle geknackt habe und dass man deshalb viele einschlägige Informationen dazu gewonnen habe. Maria Roselli ist Journalistin und Mafia-Expertin beim italienischsprachigen Radio und Fernsehen RSI und ordnet die Erkenntnisse ein.
So viele Mafiosi gibt es in der Schweiz: «Natürlich kennt man nur Dunkelziffern in der Schweiz, insbesondere zur kalabrischen Mafia.» Die kalabrische Mafia heisst 'Ndrangheta. Es sei bekannt, dass sie schon seit 40 Jahren in der Schweiz aktiv sei. Die 'Ndrangheta habe hier Fuss gefasst und sei sehr gut strukturiert, sagt die Expertin. «Es gibt viele Mafiazellen in der Schweiz, und die der 'Ndragheta arbeiten mit dem Mutterhaus in Kalabrien zusammen.»
Aktivitäten der Mafia in der Schweiz: Bei ihren Aktivitäten geht es um Drogen und um Geldwäsche. Und: «Wir sehen immer mehr, dass grosse Summen investiert werden. Es gibt auch grosse Aktivitäten im Bauwesen», sagt Roselli.
Mafia-Konglomerat: Die Auswertung der Chat-Protokolle hat gezeigt, dass die Mafias in der Schweiz zusammenarbeiten. «Bekannt ist, dass es zunehmend Tätigkeiten gibt, in denen sich die ’Ndrangheta und die sizilianische Mafia die Hand reichen und zusammen eine kriminelle Aktivität ausüben», so Roselli. Sie hätten gemerkt, dass sie – wenn sie zusammenspannen – besser zu ihrem Ziel kommen.
Ermittlungen gegen die Mafia: Nicoletta Della Valle sagt, zur Bekämpfung der Mafia in der Schweiz fehlten die Ressourcen. Das sieht Expertin Roselli ebenso. Aber sie sagt auch: «Heute gibt es eine strikte Aufteilung zwischen Fedpol und den Kantonspolizeien. Vielleicht müsste man sich überlegen, ob sich die Kapos und Fedpol die Aufgaben nicht besser aufteilen sollten.»
Einfluss auf die Justiz in der Schweiz: Die Chatprotokolle belegen, dass es durchaus Versuche der Mafia gebe, die Schweizer Justiz zu beeinflussen, sagt Roselli. Allerdings sei dies nichts Neues, wenn man bedenke, dass die organisierte Kriminalität in Italien dies täglich tue. «Dazu gehört auch, dass man versucht, Politiker anzugehen und sie zu bewegen, nützliche Gesetze zu erlassen. Oder dass man sie erpresst und sie zu korrumpieren versucht.» Solche Vorfälle wurden auch in der Schweiz beobachtet, und das sei doch sehr beunruhigend, so Roselli.
Auswertung der Chat-Protokolle: Nach Aussage der Fedpol-Chefin im Interview mit der «NZZ» hat Europol die Daten an die Schweiz weitergeleitet. Das Fedpol hat gesehen, dass rund 3000 Mobilgeräte an Antennenstandorten über die ganze Schweiz in den Chat eingeloggt waren. Bisher habe das Fedpol erst 20 Prozent der grossen Datenmenge analysiert.