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Was wird aus dem Kiosk? «Die Leute kaufen nur noch wenige Dinge bei uns ein»

Wer heute einen Kiosk betreibt, muss mehr bieten als Presse, Tabak und Lotto. Das sind die Herausforderungen der Privatkioskbesitzer und worauf Branchenriese Valora setzt.

«Ich wollte selbstständig sein», antwortet Mohammed Hashem Adina auf die Frage, warum er vor rund zwei Jahren den Kiosk an der Weinbergstrasse in Zürich nahe des Schaffhauserplatzes übernommen habe. Die Kundschaft kommt meist aus der Nachbarschaft.

Mann hinter der Verkaufstheke eines Tabakladens.
Legende: Heute Kioskbetreiber, früher im Metallbau tätig: Mohammed Hashem Adina. SRF

Adina stammt aus Afghanistan und ist seit 2014 in der Schweiz. In der Heimat und bevor er den Kiosk übernommen hat, arbeitete in der Metallbaubranche.

Der Kiosk als Notnagel

Getränke, Snacks, Raucherwaren, aber auch Zahnpasta, Waschmittel, WC-Papier: Das Sortiment ist trotz kleiner Fläche breit.

Wie aus «Kūšk» der «Kiosk» wurde

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Das Wort «Kiosk» stammt aus dem Persischen. «Kūšk» bedeutete ursprünglich «Pavillon», «offenes Gartenhaus». Aus dem Begriff wurde über das Türkische «köşk» das Französische «kiosque», danach im 18. Jahrhundert das Deutsche «Kiosk».

Gemäss Duden ist ein Kiosk eine Verkaufsstelle für Dinge wie Zeitschriften, Getränke, Süssigkeiten oder Zigaretten.

«Wir haben täglich bis 23 Uhr geöffnet und bieten alles für den Notfall», sagt Adina. Heisst: Einige Kunden kommen nur dann in den Kiosk, wenn alles andere geschlossen hat. «Bei uns ist es etwas teurer als in grossen Läden. Die Leute kaufen nur wenige Dinge im Kiosk ein.»

Ein Mann betritt den Kiosk und besorgt sich eine Rolle Kehrichtsäcke. Nach rund 30 Sekunden verlässt er den Laden wieder. Es muss schnell gehen.

Wie Branchenriese Valora seine Kioske umbaut

Schnell und flexibel: Ein Prinzip, das Branchenriese Valora längst erkannt hat. Valora betreibt schweizweit rund 780 Kioske und 350 «avec»-Läden, die teilweise aus ehemaligen Bahnhofskiosken entstanden sind. «Frischer Food to-go hat aufgrund eines zunehmend mobilen Lebensstils sowie neuen, flexiblen Arbeitsformen kontinuierlich an Bedeutung gewonnen», schreibt das Unternehmen auf Anfrage.

«Gleichzeitig verliert der Wocheneinkauf an Bedeutung – stattdessen wird häufiger spontan, möglichst nah und bequem eingekauft.» Der Begriff «Foodvenience» beschreibt dieses veränderte Verhalten treffend, ein englisches Kunstwort aus «food» (Essen) und «convenience» (Bequemlichkeit).

Der Kiosk in der Schweiz

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In den 1990er-Jahren gab es gemäss Statistikportal statista.de in der Schweiz noch rund 1900 Kioske, davon mehrere Hundert Privatkioske.

Spätestens seit der Jahrhundertwende sank diese Zahl deutlich auf rund 1100 Kioske (2022), wovon etwa 780 vom Branchenriesen Valora betrieben werden.

Gründe für den Rückgang liegen unter anderem im veränderten Konsumverhalten, dem Rückgang des Tabakkonsums und der sinkenden Nachfrage nach Printmedien.

Valora bietet inzwischen auch Paket- sowie Finanzdienstleistungen an oder den Verkauf von Ski-Tickets. «Der Kiosk wird damit zunehmend zur multifunktionalen Schnittstelle im urbanen Raum.»

Eine schleichende Entwicklung

Hansluz Nussbaum ist seit bald 40 Jahren Privatkioskbetreiber im nidwaldischen Ennetbürgen und in der Stadt Luzern. «Als ich angefangen habe, waren die Margen deutlich besser», sagt er. Aber schon damals habe sich eine ungute Entwicklung abgezeichnet.

Niemand ist mehr bereit, nur für Nachrichten an den Kiosk zu gehen und dafür auch zu bezahlen.
Autor: Hansluz Nussbaum Privatkioskbesitzer in Luzern und Ennetbürgen

Die Liste der Herausforderungen, mit denen sich die Branche herumschlägt, ist lang: striktere Tabakgesetze, grosse Konkurrenz, Digitalisierung. «Niemand ist mehr bereit, nur für Nachrichten an den Kiosk zu gehen und dafür auch zu bezahlen.» Was noch funktioniere, seien Glücksspiele und der Verkauf von E-Zigaretten und Snus.

Privatkioskbetreiber Hansluz Nussbaum in seinem Dorfplatz Kiosk in Ennetbürgen.
Legende: Kennt die Kioskbranche seit 40 Jahren: Hansluz Nussbaum in seinem Kiosk in Ennetbürgen. ZVG

Auch wenn die Zeiten härter sind, habe der Kiosk seine soziale Funktion behalten. «Man wechselt mit den Leuten immer noch einige Worte», sagt Nussbaum. «Aber heute halten sich die meisten etwas kürzer.»

Ohne die Familie kein Kiosk

Zurück zum Kiosk Adina in Zürich. «Montag bis Sonntag ist schwierig», sagt Mohammed Hashem Adina. Seine Familie hilft ihm. «Meine Frau arbeitet daneben noch 80 Prozent und entlastet mich, wenn ich Erholung brauche.»

Blick in den Innenbereich des Kiosks Adina am zürcherischen Schaffhauserplatz mit Artikeln wie Getränken und Snacks.
Legende: Jeden Tag geöffnet: Von früh bis spät im Kiosk zu stehen, geht auf Dauer an die Substanz. SRF

Wie Mohammed Adina haben auch viele andere Privatkioskbesitzer ausländische Wurzeln. «Viele Ausländer sind in ihrer Heimat selbstständig und möchten dies auch hier sein.» Das bringt im Falle eines Kiosks zwar viel Aufwand mit sich, hat aber auch integrative Vorteile. «Der Kontakt mit den Kunden gefällt mir. Man hört verschiedene Dialekte und spricht mit den Leuten – das ist gut.»

Radio SRF 1, Treffpunkt, 11.06.2025, 10:10 Uhr ; 

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