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Zwei Jahre Ukrainekrieg «In der Schweiz lebe ich sicher, schiebe aber mein Leben auf»

Zwei geflüchtete Ukrainerinnen erzählen, wie es ihnen in der Schweiz geht.

In der Schweiz sind rund 66'000 Menschen aus der Ukraine registriert. Zwei von ihnen sind auf der Flucht vor dem Krieg in Derendingen (SO) gestrandet: Vira Romaniuk (48) mit drei ihrer Kinder und Liliia Chorodnik (28); beide aus Kiew.

Die Zerrissenheit ist täglich spürbar

Einen Monat nach Kriegsausbruch flüchtete Vira im März 2022 in die Schweiz. Viras Mann lebt weiterhin in Kiew und arbeitet in einer Baufirma. Sporadisch kommt er für ein paar Tage zu Besuch. Eine Tochter studiert in Berlin (23) und ein Sohn (19) lebt nach seiner Flucht ebenfalls in Berlin. Vira kümmert sich um die Zwillingstochter und den -sohn (7) und die mittlere Tochter (12).

Vira Romaniuk (48) im Porträt
Legende: Vira Romaniuk aus Kiew «Meine Familie ist im Moment komplett versprengt. Aber ich bin der Schweiz sehr dankbar; meiner Betreuerin und all denen, die mich unterstützen. Meine Kinder sind geschützt und sie haben alles, was sie brauchen.» SRF

«Die Kinder sind glücklich hier», sagt sie. «Aber ihnen fehlt der Vater.» Sie wohnt in einem von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Haus, in Wohngemeinschaft mit einem ebenfalls aus der Ukraine geflüchteten jungen Mann.

Zwischen Ungewissheit und Ablenkung

Nebst der Betreuung ihrer Kinder, lernt Vira Deutsch und betreibt in der Garage des Hauses eine kleine Brockenstube, mit Kleidern und Haushaltsgegenständen, die sie bekommt und dann gratis abgibt.

Meine Kinder leben ihr Leben hier im Moment. Ich aber schiebe mein Leben auf und hoffe, dass ich es irgendwann wieder leben kann.
Autor: Vira Romaniuk(48) Geflüchtet aus der Ukraine

«Meine Kinder leben ihr Leben hier im Moment. Ich aber schiebe mein Leben auf und hoffe, dass ich es irgendwann wieder leben kann», sagt sie. Trotzdem merke sie, dass auch sie hier bereits Wurzeln schlage.

«Mit den Nachbarn habe ich nicht viel Kontakt», erzählt Vira. «Unsere Nachbarn sind ältere Leute. Vielleicht sind sie etwas reserviert, weil meine Kinder laut sind.»

Ukrainische Frauen an Kundgebung in der Schweiz. Eine Frau hält ein gelbes Schild mit der Aufschrift «Danke Schweiz!»
Legende: Friedens- und Dankeskundgebung in Bern am 6. Mai 2022 Der Bundesrat entschied am 11. März 2022 den Schutzstatus S zu aktivieren für Ukrainerinnen und Ukrainer, die ihre Heimat aufgrund der Kriegshandlungen verlassen müssen. Mit diesem Status erhalten diese ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz, ohne dass sie ein ordentliches Asylverfahren durchlaufen müssen. Keystone / Peter Klaunzer

«Es liegt vielleicht auch an mir, da ich keinen Kontakt suche. Dafür haben wir Kontakt mit den Eltern und den Kindern aus der Schule.»

Vira Romaniuk (48) im Porträt
Legende: «Sobald es möglich ist, werden wir in die Ukraine zurückkehren. Das Land muss wieder aufgebaut werden, und dazu braucht es Menschen», sagt Vira Romaniuk, die aus Kiew stammt. SRF

«Die Ungewissheit zerrt an den Nerven und es ist manchmal schwer, dies alles auszuhalten», sagt Vira. «Ich hatte am Anfang eine grosse Wut im Bauch. Mein Plan lautet eigentlich immer: In sechs Monaten kehren wir zurück. Aber er wird vorderhand nicht aufgehen.»

Zwischen zwei Welten

Liliia Chorodnik (28) reiste im Mai 2022 in die Schweiz. Ihre Eltern leben auf einem Bauernhof in der Ukraine. Ihr älterer Bruder durfte nicht ausreisen. Sie habe dort ein gutes Leben gehabt, sagt sie im Gespräch.

Liliia Chorodnik (28) im Porträt
Legende: Liliia Chorodnik aus Kiew «Als der Krieg ausbrach, ging ich von Kiew zuerst aufs Land zu meinen Eltern. Als es dann auch dort zu unsicher wurde, flüchtete ich in die Schweiz.» SRF

Nach dem Studium an der Uni in Wirtschaft und Steuerrecht habe sie in Kiew gewohnt, gearbeitet und hätte ihren Freundeskreis gehabt.

Ich weiss nicht, was mich in der Zukunft erwartet. Es wird jeden Tag etwas schlimmer. Und es gibt keine Antwort. Mein Herz ist in der Ukraine geblieben. Aber ich weiss nichts.
Autor: Liliia Chorodnik (28) Geflüchtet aus der Ukraine

Heute lebt sie weit weg von zu Hause, in Derendingen, arbeitet in einem Restaurant im Service, lernt Deutsch, treibt in ihrer Freizeit Sport, bäckt französische Macarons und baut sich einen neuen Freundeskreis auf. Die Mutter habe sie einmal in der Schweiz besucht. Selbst sei sie vor Kurzem für ein paar Tage bei den Eltern zu Besuch gewesen.

Zurückgehen oder bleiben?

«Einmal für eine gewisse Zeit ins Ausland zu gehen, war eine Idee von mir. Einen Plan dazu hatte ich aber nicht, denn es hat mir zu Hause gut gefallen», betont sie. Momentan wäre es schwierig zu entscheiden, nach dem Krieg hierzubleiben oder zurückzukehren.

«In der Ukraine musste ich plötzlich alles zurücklassen. Jetzt bin ich dran, hier alles zu organisieren und mich zu integrieren. Kehrte ich zurück, müsste ich hier wiederum alles zurücklassen und zu Hause wieder alles in Ordnung bringen. Es wäre schade, alles hier zu verlieren. Und ich weiss nicht, was mich in der Zukunft erwartet. Es wird jeden Tag etwas schlimmer. Und ich weiss keine Antwort. Derzeit geht es mir hier gut.»

Liliia Chorodnik (28) im Porträt (sie lächelt)
Legende: Liliia Chorodnik lebt in einer kleinen Wohnung und arbeitet in einem Restaurant im Service. SRF

Beide Frauen leben zurzeit in der Schweiz. Die eine zieht es zurück, die andere ist sich noch nicht sicher. Aber der tägliche telefonische Kontakt in die Heimat gehört für beide zum Alltag.

Krieg in der Ukraine

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SRF 1, Treffpunkt, 21.2.2024, 10:03 Uhr

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