Es ist 18 Uhr. Katharina Moruzzo hat Feierabend. Sie sitzt auf der Terrasse des Unispitals Basel, es ist ein lauer Sommerabend. Vor einem Vierteljahr trafen wir die 52-Jährige zum ersten Mal.
Während im Frühjahr 2020 aufgrund des Corona-Virus' viele von uns zu Hause blieben, leistete Moruzzo harte körperliche und emotionale Arbeit. «Körperlich strenger, weil man aufgrund der Schutzkleidung stärker schwitzte», erzählt sie. Die Erfahrung zeigt, dass Covid-19-Patientinnen und -Patienten besser Luft kriegen, wenn sie auf dem Bauch liegen. Für Katharina Moruzzo bedeutete dies, erwachsene Menschen regelmässig auf den Bauch wenden zu müssen.
Es ist anstrengend, eine erwachsene Person auf den Bauch zu drehen. Sie ist im künstlichen Koma, kann also nicht mithelfen - erschwerend dazu kommen noch all die Geräte und Schläuche.
Ein knappes Vierteljahr ist es her, seit wir auf den Balkonen standen und für das Pflegepersonal und andere sogenannte systemrelevante Berufsleute klatschten. In der Politik, von Berufsverbänden und Gewerkschaften wurden Forderungen laut nach mehr Lohn, Corona-Prämien, nach mehr Personal und einer Aufwertung dieser Berufe.
Besonders in Fokus standen dabei immer wieder die Pflege und das Gesundheitssystem. «Der Applaus kam von der Bevölkerung. Das nahm ich als ehrliche Wertschätzung wahr. Jetzt gilt es, das auf politischer Ebene genau anzuschauen», so Moruzzo. Eine erste Chance gab es bereits: In der vergangenen Session im Juni nahm sich der Ständerat den indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative vor. Dessen Kern: eine Ausbildungsinitiative. Doch der «Corona-Effekt» schien bereits verpufft - die kleine Kammer schwächte das Anliegen ab und riskiert damit eine Volkabstimmung.
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Katharina Moruzzo macht sich Gedanken zur Zukunft ihres Berufs: «Ich bin nach wie vor gern in der Pflege. Trotzdem mache ich mir auch Sorgen. Ich weiss nicht, in welche Richtung es in den kommenden Jahren geht.»
Moruzzos Hauptsorge gilt dem Personalmangel:
Wir haben zu wenige Pflegende, und das wird sich weiter verschärfen. Wir können nicht Leute ausbilden, die nach ein paar Jahren wieder abspringen.
Der Beruf sei in den vergangenen Jahren strenger geworden, sowohl physisch als auch psychisch.
Dass Moruzzos Sorgen nicht unbegründet sind, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Gemäss dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium OBSAN hängen 46 Prozent des Pflegefachpersonals zwischen 35 und 49 den Job an den Nagel. Bis in 10 Jahren werden in der Schweiz laut dem OBSAN-Bericht 65'000 Pflegende fehlen.
Die Pflege und unser Gesundheitssystem wurden in den letzten Wochen und Monaten viel diskutiert - und auch kritisiert: Zum Beispiel wurde moniert, dass Spitäler ihre Stationen aufrüsteten und dann doch nicht ausgelastet waren.
«Von diesen Diskussionen versuchte ich mich abzugrenzen. Im Nachhinein ist man immer schlauer», sagt Moruzzo dazu. «Aus meiner Sicht war es korrekt, dass man maximal vorbereitet war. Wir mussten zum Glück keine 12-Stunden-Schichten machen, sondern kamen gut organisiert durch die erste Welle», so die Frau, die als eine von vielen direkt an der Front ist, wenn es um die Pflege von Covid-19-Patienten geht.
Wir haben die erste Phase einigermassen glimpflich überstanden. Es liegt jetzt in der Verantwortung eines jeden Einzelnen zu wissen, wo die Grenzen liegen.
Was wünscht sich die Intensivpflegefachfrau für die Zukunft? «Eine konstruktive Diskussion rund um die Pflege. Dass es ein ernsthaftes Thema ist. Dass es nicht in ein paar Monaten komplett versandet und niemand mehr drüber spricht.»
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