Zwei Pestdoktoren wedeln über die Bühne. Der Vorhang fällt und Alice Cooper schneidet mit einem Säbel durch eine überdimensionale Zeitungsseite, auf der «Alice Cooper – verbannt aus der Schweiz!» geschrieben steht.
Die Zeiten, an denen vor seinen Konzerten noch Flyer verteilt wurden, die davor warnten, mit dem Konzertbesuch die Seele Satan preiszugeben, sind definitiv vorbei.
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Bild 1 von 6. Willkommen zu seinem Albtraum. Zu Beginn der «letzten Show der diesjährigen Europatournee» säbelt sich Alice durch die Zeitungskulisse. Bildquelle: Julius Hatt.
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Bild 2 von 6. Wer die breitbeinige Rockstar-Pose nicht drauf hat, kommt bei dieser Band nicht rein – virtuos hin oder her. Bildquelle: Julius Hatt.
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Bild 3 von 6. Sieht aus wie Dracula, ist aber Vincent Fournier alias Alice Cooper. Diesen Künstlernamen hat ihm das Jenseits übrigens via Gläserrücken zugeflüstert. Sagt er. Bildquelle: Julius Hatt.
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Bild 4 von 6. Er ist nicht mehr «Eighteen», aber die Krücke ist trotzdem nur Staffage. All die Bühnengadgets haben bestimmt einen eigenen Roadie. Bildquelle: Sarina Reutemann.
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Bild 5 von 6. So böse, wie Alice the Ripper hier schaut, ist er gar nicht. Er ist «gläubiger Grossvater, der gern Golf spielt», wie «The Times» berichtet. Bildquelle: Sarina Reutemann.
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Bild 6 von 6. Die Plektren, die da rechts am Mikrostativ hängen, wurden gemäss Hardrock-Knigge restlos alle schwungvoll in die Menge geschleudert. Bildquelle: Julius Hatt.
Die 4500 Leute auf dem Herrenacker wissen, dass sie nicht Satan, sondern Spass erwartet. Die berüchtigte Bühnen-Boa hat Alice Cooper zwar schon lange nicht mehr dabei, dafür gibt's Kunstblut, eine Zwangsjacke und eine Guillotine, die ihm kurz vor Show-Schluss den Kopf abhacken wird. Aber alles mit der Zeit.
Die perfekt durchdesignte Show
Erst wird durch eine Show gerattert, die theatralischer nicht sein könnte. Melodramatisch schwingt Alice Cooper sein Zepter zum Takt und streckt seine Hand im schwarzen Lederhandschuh zum vermeintlichen Kuss dem Publikum entgegen.
Vom kürzlich erschienenen Album «The Revenge of Alice Cooper» – eine Reunion mit seiner Ur-Band, die sich 1975 auflöste – spielt Cooper heute Abend nichts. Vermisst aber auch niemand: Die Setlist ist ein minuziös durchdesignter und sehr willkommener Höllenritt durch alle Hits seiner über 50-jährigen Karriere.
Der erste Scheinmord
Zwischen jedem Hit wechselt Cooper sein Outfit. Bei «No More Mr. Nice Guy» präsentiert er sich zwischen seiner soloverliebten Gitarristenfront noch im Frack mit Rüschenhemd. Wenig später vibriert der König der Augenschminke während seinem wohl besten Song «I'm Eighteen» schon in der Rockerkluft über die Bühne.
Kurz vor «Hey Stoopid» stürmt eine Frau in der Rolle einer Paparazza die Bühne. Ihr Act: Sie soll Coopers grossartige Gitarristin Nita Strauss fotografieren. Schon schleicht sich ein maskierter Bühnenassistent an die Fotografin ran und schneidet ihr mit einer Trickmachete die Kehle durch. Kunstblut. Endlich.
Und schon wird ein nächster Paparazzo von Cooper pseudo-erdolcht. Wäre diese Show korrekt, wäre es keine Alice-Cooper-Show.
Den Kopf verlieren, aber nicht den Spass
Rund um den Superhit «Poison» tanzt eine Domina mit Peitsche über die Bühne – und letztlich mündet das 90-minütige Rock-Theater konsequenterweise im Tod von Alice Cooper selbst. Nachdem sich Alice in einer Zwangsjacke die Seele aus dem Leib schreit, wird hinter den Pirouetten von Coopers Frau Sheryl (verkleidet als Marie-Antoinette in Corsage) die Show-Guillotine auf die Bühne gekarrt.
Und natürlich wird Mister Cooper nach der Enthauptung gleich wieder auferstehen. Die Show muss weitergehen. Jetzt ganz in Weiss gekleidet, bereit für das grosse Finale: «School's Out», der fulminante Höhepunkt der Show, bei dem der ganze Herrenacker mitsingt – ob hartgesottene Rockfans oder Teenies, die lauthals die Schule zum Teufel wünschen.
Was bleibt nach 90 Minuten Alice Cooper?
Ehrerbietung – ähnlich wie in der berühmten Filmszene von «Wayne's World» – für die wahrscheinlich präziseste Horrorshow der Welt. Erstaunen, wie trotz all dem Theater die Musik die Hauptrolle genoss.
Und das Ende, als Alice Cooper mit seiner Band «Paranoid» von Black Sabbath anstimmte – als Kniefall von Fürst der Finsternis zu (kürzlich verstorbenem) Fürst der Finsternis: Ozzy Osbourne.