Eigentlich haben Kraftklub dieses Jahr Live-Pause. Die Band aus Chemnitz hat jedoch gerade einen neuen Song releast. Und ihr nächstes Album angekündigt. Ein bisschen Promo muss da schon sein. Aber eben nur ein bisschen. Die paar Termine, die sie diesen Monat gespielt haben, waren dann auch keine ausgewachsenen Shows.
Bis die Kings of Leon als Headliner des Openair St. Gallen abgesagt haben und der deutsche Indie-Rock-Fünfer relativ spontan eingesprungen ist. Zum Glück.
Auch wenn sich ihr Sound seit dem Debüt vor bald 15 Jahren nur unmerklich verändert hat (und schon damals borderline-retro war), sind Kraftklub nach wie vor die Sorte Act, die aus einem vom heissen Sommertag ordentlich verschwitzten Publikum mühelos nochmals ein paar Bonus-Deziliter Schweiss zu pressen vermögen.
Innovation? Nein
Das liegt an stets kopfvoran preschenden Hits wie «Ich will nicht nach Berlin», «Schüsse in die Luft» oder «Ein Song reicht», klar. Auch die kurze Performance mitten im Publikum («Bei dir» von Frontmann Felix Kummers Soloprojekt und der Trap-Banger «500 K») ist effektiv, mittlerweile aber auch absehbar. Selbst die Pyros in der Menge sind längst Pflichtprogramm statt Überraschung.
Nichts davon ist originell, aber es wirkt auch nie aufgesetzt, und: Es funktioniert, ohne anbiedernd zu sein, weil es bei Kraftklub schon (fast) immer so war. Kummer stellt angesichts der grösstenteils enthusiastischen Crowd dann auch fest: «Es hat sich heute Abend nicht eine Sekunde so angefühlt, als wären wir nur der Ersatz.»
Evolution? Ein bisschen
Ein paar Neuerungen gab's am späten Freitagabend dennoch. Nach den Collegejacken der Anfangszeit und den Parkas der letzten Jahre startete das Quintett seine Show nun in Lederjacken. Etwas bahnbrechender als diese Outfit-Wahl war der Gesangverein, der die Band für den Opener – besagte frische Single «Schief in jedem Chor» – auf beiden Bühnenseiten flankierte.
Statt dieselben Sängerinnen und Sänger wie beim Auftritt im «ZDF Magazin Royale» einzufliegen (hätte das Band- wie auch das CO2-Budget unnötig belastet), haben Kraftklub Schweizer Kulturförderung betrieben und den Unichor der St. Galler HSG engagiert.
«Schief in jedem Chor» spielten sie zum Ende der Show hin sogar nochmals und holten zur Verstärkung rund 100 Leute aus dem Publikum auf die Stage, die nach der Performance so beschäftigt damit waren, den Moment mit der Handykamera festzuhalten, dass die Crew sie fast nicht mehr von der Bühne bekam.
Reaktion? Ein verschwitztes Lächeln
Zum Abschluss reichten Kraftklub ihren Klassiker «Songs für Liam» nach, den sie nicht lange nach der Trennung von Oasis releast hatten und der davon handelt, dass die Welt «ein bisschen weniger scheisse» wäre, wenn die Gallagher-Brüder sich wieder lieb hätten. Und das nur eine Woche vor dem ersten Gig der grossen Reunion-Tour der Britpop-Legenden.
Kraftklub vermögen 2025 nicht mehr so zu überraschen wie früher. Aber sie wissen sehr genau, was sie tun. Und wie man rund 20'000 Menschen auch spätabends noch heftig ins Schwitzen bringt.