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Korrespondenten erzählen So teuer ist Gesundheit in den USA und Grossbritannien

Gute Gesundheit ist unbezahlbar. Also, fast. In Grossbritannien ist die Gesundheitsversorgung für alle gratis, während sich in den USA viele Menschen die innovative Medizin gar nicht leisten können. Unsere Korrespondenten erzählen von zwei Extremen in Sachen Gesundheitswesen.

30 Millionen Menschen ohne Versicherung

Die USA gehören zu den Vorreitern innovativer Medizin in Bereichen wie der Herzchirurgie oder der Krebsbehandlung. Viele Amerikanerinnen und Amerikaner können davon jedoch nicht profitieren. Die USA haben das teuerste Gesundheitssystem der Welt und rund 30 Millionen Menschen, 11 Prozent der amerikanischen Bevölkerung, können sich keine Gesundheitsversicherung leisten.

In den meisten Fällen wird man in den USA durch den Arbeitgeber versichert, sofern man Vollzeit arbeitet. Ein Drittel der Arbeitnehmer sei jedoch unterversichert, erklärt SRF USA-Korrespondent Matthias Kündig. Der Selbstbehalt sei dadurch so hoch, dass sich selbst versicherte Menschen oft einen Arztbesuch kaum leisten können. Die eigene Gesundheit sei somit stark an den Beruf gekoppelt, sagt Matthias Kündig: «Wer seinen Job verliert, steht innert zwei Wochen nicht nur ohne Lohn, sondern auch ohne Gesundheitsversicherung da».

Für kostenlose Versorgung braucht es viel Geduld

«Hier muss sich wegen Gesundheitskosten niemand sorgen», sagt SRF Grossbritannien-Korrespondent Patrik Wülser zum britischen Gesundheitssystem. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde dort der National Health Service (NHS) gegründet, das staatliche Gesundheitssystem, welches für alle in Grossbritannien wohnhaften Menschen kostenlos zugänglich ist. Auch ohne Krankenkasse hat man somit Zugang zu Ärzten, Spitälern und Medikamenten.

Laut einer repräsentativen Umfrage ist der NHS beliebter als Fish & Chips und die Queen.
Autor: Patrik Wülser SRF-Radiokorrespondent für Grossbritannien und Irland

Der NHS versorgt in England, Wales, Schottland und Nordirland mehr als 65 Millionen Menschen und beschäftigt mehr als 1,7 Millionen Angestellte. Die Grösse dieses Gesundheitssystems birgt negative Aspekte, erklärt Patrik Wülser: «Dieser riesige, bürokratische Apparat führt zu langen Wartezeiten.» Allein in England warten 6 Millionen Menschen auf medizinische Behandlung durch die NHS, eine Zahl, welche sich laut Hochrechnungen bis 2024 fast verdoppeln könnte.

Patrik Wülser

Grossbritannien-Korrespondent

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Patrik Wülser arbeitet seit Ende 2019 in London als Grossbritannien-Korrespondent für SRF. Wülser war von 2011 bis 2017 Afrika-Korrespondent und lebte mit seiner Familie in Nairobi. Danach war er Leiter der Auslandsredaktion von Radio SRF in Bern.

Gesundheit ist eine Frage des Geldes

Wer in Grossbritannien die langen Wartezeiten umgehen möchte, muss in die Tasche greifen. Als Ausweichmöglichkeit dienen private Versicherungen, Spitäler, Ärztinnen und Ärzte. Eine Option, die einem grossen Teil der britischen Bevölkerung jedoch nicht offen steht, erklärt Patrik Wülser: «Die sozialen Gräben in Grossbritannien sind gross, viele vermögen private Behandlungen nicht.»

In den USA haben die sozialen Gräben zur Folge, dass Amerikanerinnen und Amerikaner ohne Gesundheitsversicherung nur im Notfall ins Spital gehen und somit auch keinen Zugang zu Krankheitsprävention haben. USA-Korrespondent Matthias Kündig unterstreicht dies mit einem Beispiel aus Houston (TX), wo die Lebenserwartung der Bevölkerung in armen Quartieren 20 Jahre tiefer liegt als jene der Menschen, die in wohlhabenden Gebieten wohnen.

Gesundheitskosten sind in den USA einer der dominantesten Gründe für Privatkonkurs.
Autor: Matthias Kündig SRF USA- und Zentralamerika-Korrespondent

(K)ein Abbild der Gesellschaft

Ein Gesundheitssystem, welches wohlhabenden Menschen alles ermöglicht und jene aussen vor lässt, die es sich nicht leisten können, sieht Matthias Kündig als passendes Abbild der amerikanischen Gesellschaft: «Hier besteht die Grundmentalität, dass es jeder und jede schaffen kann und wer es nicht schafft, ist selbst schuld.»

Die Republikaner bekämpfen ein tragfähiges soziales Hilfsnetz, da sie fürchten, dass die Leute nur faul in der Hängematte rumliegen würden.
Autor: Matthias Kündig SRF USA- und Zentralamerika-Korrespondent

Als Abbild der Gesellschaft würde Grossbritannien-Korrespondent Patrik Wülser die Grundidee des sozialen, egalitären, kostenlosen Gesundheitssystems Grossbritanniens nicht: «Der Rest der britischen Gesellschaft ist komplett anders aufgebaut.» So gäbe es laut Wülser auch heute noch Dutzende gesellschaftlichen Klassen und in grossen Teilen der Gesellschaft, beispielsweise im Schulsystem, sei man weit entfernt von der egalitären Mentalität des NHS.

SRF Global, Dienstag 15. Februar 8:15 Uhr ; 

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