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1 Pfund pro Ticket Könnten grosse Veranstaltungen kleine Clubs retten?

Spektakuläre Konzerte auf grossen Bühnen sorgen für Rekordumsätze, kleine Clubs kämpfen ums Überleben. Nun macht Grossbritannien vor, wie die Grossen die Kleinen unterstützen können: mit einem Pfund pro Ticket.

Man stelle sich vor: Grosse Veranstaltungsorte in der Schweiz mit Platz für über 5000 Leute würden ein Jahr lang bei jedem Konzert einen Franken pro Ticket an kleine Clubs abgeben. Welche Summe käme da wohl zusammen?

Gemäss der Plattform Indiespect gibt es in der Schweiz rund 130 Veranstaltungsorte, wo Musikschaffende auftreten können. Die Liste ist nicht vollständig, dient aber als guter Gradmesser. Rund 66 Prozent dieser Clubs fassen weniger als 500 Leute – und nur etwa acht Veranstaltungsorte führen in der Schweiz regelmässig Konzerte durch für mehr als 5000 Leute.

Die Grössten in der Schweiz ...

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... mit regelmässigen Konzerten:

  • Letzigrund Zürich (50'000)
  • Wankdorf Bern (45'000)
  • St. Jakobspark Basel (40'000)
  • Hallenstadion Zürich (15'000)
  • Arena de Genève (9500)
  • Festhalle Bern (9000)
  • St. Jakobshalle Basel (8000)
  • The Hall Zürich (5000)

Hinzu kommen diverse Fussballstadien wie etwa die Stockhorn Arena (Thun), die Vaudoise Aréna (Prilly) oder der Kybunpark (St. Gallen), wo unregelmässig Konzerte stattfinden.

Wenn jeder dieser acht Orte für eine ausverkaufte Show einen Franken pro Ticket beiseitelegen würde, käme ein Beitrag von rund 180'000 Franken zusammen. Bei fünf ausverkauften Shows wäre man schon fast bei einer Million.

eine ausverkaufte Show von Metallica im Letzigrund
Legende: Würde sich das 1-Franken-Modell durchsetzen, landeten bei einer ausverkauften Show im Letzigrund rund 50'000 Franken in der Kasse für kleine Clubs. (Metallica 2019) Keystone/Ennio Leanza

Wenn auch noch die grossen Festivals einen Franken pro Ticket beisteuern würden – zB. Paléo, Openair St. Gallen, Gurtenfestival, Greenfield, Montreux und Frauenfeld – dann käme ein durchaus substanzieller Unterstützungsbeitrag zusammen.

Rekordumsätze vs. Konkurs

Das Problem ist bekannt: Spektakuläre Konzerte auf grossen Bühnen florieren und sorgen für Rekordumsätze, derweilen kleine Live-Clubs ums Überleben kämpfen. Aufgrund von Teuerung, steigenden Betriebskosten und weniger Publikum müssen Traditionsclubs ihre Pforten schliessen, so wie unlängst das Mascotte in Zürich.

Dabei sind kleinere Clubs wichtige kulturelle Brutstätten, denn hier können die Stars von Morgen ihre ersten Gehversuche unternehmen.

Ein Pfund für die Zukunft der Musik

Ohne kleine Bühnen gäbe es keine grossen Karrieren. Lokale Clubs bilden quasi das Rückgrat der internationalen Musikindustrie. Aus diesem Grund hat die Organisation Music Venue Trust vor zwei Jahren in Grossbritannien eine Idee ins Rollen gebracht: Eine freiwillige Ticketabgabe von einem Pfund bei Grossveranstaltungen, die direkt in die Unterstützung kleiner Live-Clubs fliesst.

Schild des Mascotte von unten
Legende: Der 1916 eröffnete Club am Sechseläutenplatz in Zürich gehörte zu den ältesten Musikclubs der Schweiz – im Juni 2025 schloss er seine Pforten. Keystone / Til Buergy

Der Vorschlag fand schnell prominente Unterstützung. Ed Sheeran und Coldplay integrierten die Abgabe 2024 in ihre Tournee, die amerikanische Sänger Katy Perry zog bei ihrer UK-Tour nach und spendete einen Teil ihrer Ticketeinnahmen an kleine britische Musikclubs.

Erste Arena zieht mit

2024 schlug der britische Minister für Kreativindustrie vor, die Abgabe flächendeckend einzuführen – anfänglich noch freiwillig, später dann möglicherweise verpflichtend. Seit August 2025 ist die renommierte Royal Albert Hall in London die erste grosse Arena, die eine Ein-Pfund-Abgabe pro Ticket erhebt.

Mit dem Geld sollen über 900 kleine Veranstaltungsorte in Grossbritannien modernisiert und gerettet werden. In Deutschland hat die LiveKomm ein ähnliches Projekt vorgeschlagen, das aktuell diskutiert wird.

Solidarität scheint möglich

Bei einer Umfrage von Music Fans' Voice in Grossbritannien unterstützen 93 Prozent der britischen Musikfans die Ticketabgabe. Solidarität scheint also grundsätzlich vorhanden zu sein.

Der Erfolg des Modells ist allerdings davon abhängig, ob und in welchem Ausmass Veranstaltende und Ticketverkäufer sich an den Abgaben beteiligen würden. Ausserdem müsste klar aufgeschlüsselt werden, wie das Geld verteilt werden soll. Eine Herkulesaufgabe, von der aber die gesamt Schweizer Musiklandschaft profitieren könnte.

SRF3, 22.10.2025, 15:15 Uhr

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