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20 Jahre «X&Y» Coldplay und der Anfang vom Ende

Am 6. Juni 2005 gaben Coldplay ihre dritte Platte raus.

Eigentlich brauchen Coldplay 2005 dringend eine Pause. Das erste Mal, seit sie sich 1997 in einem Londoner Studentenheim formierten und aufmachten, die Pop-Welt zu erobern.

Nach ihren zwei hochgelobten Alben «Parachutes» (2000) und «A Rush of Blood to the Head» (2002) sagt Chris Martin: «Mit deinem dritten Album kannst du nicht gewinnen. Ich wusste, wir hätten aufhören sollen.»

Coldplay – Fix You

Das verflixte dritte Album

Ganze eineinhalb Jahre lang sucht die Band nach der musikalischen Formel, die «X&Y» ausmachen soll. Der Song «Talk» interpoliert Kraftwerks «Computer Liebe». Auf dem Hidden Track «Til Kingdom Come» sollte Johnny Cash singen, der den Aufnahmetermin aber nicht mehr erlebt. Coldplay wollen elektrischer, grösser und stadiontauglich werden, aber dennoch nach den früheren Coldplay klingen. Ein Plan der zum Scheitern verurteilt ist.

Coldplay – Talk

Das Releasedatum von «X&Y» wird schliesslich nach hinten verschoben – so dass die Aktien der Plattenfirma zu serbeln beginnen, womit der Druck von aussen steigt. Auch Band-intern wird gezweifelt. Die eine Hälfte der Band steht hinter dem neuen Material, die andere weniger. «Wir wissen wo wir sind, aber wir wissen nicht wieso», sagt Gitarrist Jonny Buckland gegenüber SRF, kurz vor dem Release von «X&Y» am 6. Juni 2005.

Coldplay Cover X&Y
Legende: Per Telegrafencode in die Charts: Das Albumcover von «X&Y» Warner Music

Das grösste Plus des Albums ist dessen kommerzieller Erfolg. Es wird das bestverkaufte Album des Jahres, und Coldplay sind ready für noch grössere Stadien. Der gigantische Abstrich ist, dass man diesen 13 Songs anhört, dass sie für diese Stadien geschrieben sind. Mit «X&Y» wird der Coldplay-typische Bombast-Pop geboren, mit dem sich die Band für die kommenden 20 Jahre zum Massenphänomen mausert.

Chris Martin: «Einige Leute mochten unser erstes Album nicht»

Mit «X&Y» werden sie für ein Indie-Fansegment zunehmend uninteressant. Dies muss Coldplay nicht kümmern, aber irgendwas ist bei «X&Y» mit ihrem Songwriting passiert.

Die Intimität ist weg

Auf «X&Y» gibt's keinen wirklich schlechten Song. Auf Albumlänge verfallen sie jedoch einer etwas gefälligen Eintönigkeit. Da fehlt die Reibung, die eingängigen, aber nicht plumpen Melodien, die musikalischen Kontraste – alles, was Coldplay in ihren ersten zwei Alben so fantastisch zur Schau stellten klingt hier nach einer etwas uninspirierten Umarmung.

Coldplay – Speed of Sound

Das ist eine Sicht auf «X&Y». Andererseits ist das Album eine bewusste Weichenstellung: Coldplay können 2005 nicht mehr mit akustischer «Parachutes»-Intimität auffahren, weil sie Songs liefern müssen, die mit Durchschlagkraft bis in die hintersten Ränge der Stadien mitsingbar sind. Der Entscheid, sich nach der Decke zu strecken, schlägt sich auch in der pompösen Produktion nieder und schafft die Blaupause für spätere Stadion-Acts von Mumford & Sons bis Imagine Dragons.

Der Anfang vom Ende

Mit «X&Y» wird zudem der Grundstein für die Coldplay-Farb-Identität gelegt: das bunte Corporate Design, das sich künftig in Kleidung, Albumcovers und Leuchtarmbändchen niederschlägt. Damit entsteht auch der Geist des Zugehörigkeitsgefühls, von dem Fans nach Coldplay-Konzerten schwärmen.

Coldplay 2005 in Lissabon: Nominiert für einen MTV Europe Award «Best Album»
Legende: Coldplay 2005 in Lissabon: Nominiert für einen MTV Europe Award «Best Album» Getty Images/John Rogers

Das Album steht letztlich für den Anfang vom Ende einer Band, deren Sound einmal nach Bandraum getönt hat. Ein weiteres Ende ist 20 Jahre später erneut in Sicht: Coldplay geben 2025 in dieser Form angeblich ihr letztes Album raus. Auch dieses Ende könnte aber ein Neuanfang sein.

Radio SRF 3, 05.06.2025; 15:15 Uhr ; 

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