Es war vor zirka 10 Jahren, als sich Models, Influencerinnen und Stars wie Rihanna, Justin Bieber oder Kate Moss plötzlich mit verwaschenen Bandshirts von Iron Maiden, Kiss, Nirvana oder Krokus ablichten liessen.
Die Secondhand-Shops und Flohmärkte der Innenstädte wurden daraufhin überrannt und das Rock- oder Metal-Shirt aus vergangener Zeit für Modebewusste zum Must-have der Stunde. Für die Musik dahinter galt hingegen eher: nicht so wichtig. Wenn der Sänger der Kuschel-Boyband 5 Seconds of Summer in einem Misfits-Shirt auftrat, war ihm der Spott der weltweiten Punk-Community gewiss – aber wer sind schon die Misfits?
Ramones: Cool trotz H&M
Als dann auch grosse Modeketten wie H&M oder Zara auf den Zug aufsprangen und Shirts mit Retro-Designs von Guns N’Roses oder Slayer auflegten, schien sich der Trend von selbst zu erledigen. Aber es kam anders. Heute sind Bandshirts und Merchandise-Artikel ein Multimilliarden-Geschäft und beeinflussen ganze Modehäuser.
Marken wie Balenciaga oder Louis Vuitton haben sehr teure Versionen ihrer Brands mit Heavy Metal-Schriftzügen in ihre Laufstegkollektionen genommen. Wenn Teenager-Girls im pinken Ramones T-Shirt durch die Fussgängerzone laufen, mag das einige Punkrock-Nostalgiker schmerzen. Aber immerhin lebt Rockmusik so auch bei der jungen Generation weiter.
«AC/DC und Taylor Swift laufen am besten»
Musik-Merchandising ist zur eigenständigen Branche geworden. Das in Los Angeles ansässige Unternehmen Bravado ist eine Tochterfirma von Universal Music und verhandelt Lizenzen für Künstlerinnen und Bands wie Taylor Swift, AC/DC oder die Rolling Stones. Die Firma verkauft T-Shirts an Konzerten, übers Internet und kümmert sich auch um das sogenannte Retail-Geschäft.
Dabei werden Lizenzen von Band-Logos und Schriftzügen an grosse Modehäuser wie H&M, Zara oder C&A verkauft. «Am besten laufen AC/DC und Taylor Swift», sagt Michael Hahn, Geschäftsführer von Bravado Deutschland. Gemäss Hahn hat das Bandshirt das Albumcover von früher ersetzt.
«Mit dem Aufkommen von Streaming und dem Verschwinden der LP und CD läuft die emotionale Bindung zwischen einer Band und den Fans heute eher durch ein T-Shirt.»
Mit dem Beethoven-Shirt ans Klassik-Konzert
Neben rein kommerziellen Interessen ist das Merchandising-Geschäft für Bands noch auf einer anderen Ebene interessant. Man bleibt im Gespräch. Marc Hottinger ist Gitarrist der Zürcher Bands Überyou und The High Times und im zivilen Leben Markenrechtsanwalt. «Wird eine Marke fünf Jahre nicht gebraucht, wird diese juristisch angreifbar. Deshalb wollen auch Top-Artists wie die Beatles, Motörhead oder Nirvana, Bands, die es längst nicht mehr gibt, ihre Brands am Leben erhalten.»
Im Gegensatz zum Urheberschutz, der in der Schweiz 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers ausläuft, kann das Markenrecht immer wieder erneuert werden. Während die Nachkommen Beethovens mit seiner Musik schon lange kein Geld mehr verdienen, hätte seine Marke weiterhin viel Wert. Hottinger: «Hätte es zu Beethovens Zeit schon so etwas wie Markenrecht gegeben, würden seine Nachkommen heute vielleicht Beethoven-T-Shirts verkaufen.»