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Musik-Blog Ich und mein Band-Shirt

Ein Shirt anziehen ist die einfachste Sache der Welt. Handelt es sich dabei um ein Band-Shirt, wird es ein bisschen komplizierter. Wer jetzt fragt: «Wieso denn das?», sollte sich schleunigst von seinen Band-Shirts trennen. Wer kommt mit auf einen Ausflug in meine Pubertät?

Heute bin ich ziemlich entspannt, wenn es um Band-Shirts geht. Ich habe keine mehr. Aber das war nicht immer so. Jahrelang habe ich fast ausschliesslich Band-Shirts getragen. Was heisst hier getragen. Ich habe sie ausgeführt. Band-Shirts sind keine Kleider. Das sind Freunde. Familienmitglieder. Sie gewinnen mit den Jahren an Wert und Charakter.

Gregi Sigrist

Gregi Sigrist

Musikjournalist für Pop/Rock von Schweizer Radio und Fernsehen

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Im Musik-Blog schaut er auf, unter und hinter aktuelle Musikthemen und ihre Nebengeräusche.

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An mein erstes Band-Shirt erinnere ich mich nicht. An das Gefühl, ein neues Shirt zu tragen, aber sehr wohl. Das war nicht gut. Der Aufdruck war anfangs steif. Das Shirt fühlte sich fremd an. Ich musste den Aufdruck brechen, das Shirt kneten und tragen. Kneten, waschen, tragen. Tragen, tragen und tragen bis es zu einem Teil von mir wurde. Das war wichtig. Es musste ein Teil von mir werden. Ein Freund. Eine zweite Haut.

Mein Shirt, meine Band, mein Leben

Auf meinen Shirts standen Bandnamen wie Scorpions, Aerosmith oder Mötley Crüe. Das war meine T-Shirt-Welt. Nicht, dass ich keine andere Musik gehört hätte. Aber shirttechnisch drehte sich bei mir viel um Hard Rock und Heavy Metal. Mit Grund: Schliesslich offerierten diese Bands orientierungslosen, pickligen Teenies eine extrem einfache und doch irgendwie aufregende Welt. Man konnte sich seine Identität auf die Jeans-Jacke bügeln oder sie auf der Brust tragen. Es roch, in dieser eigentlich eher engen Welt, ein bisschen nach Rebellion und Freiheit. Ich bin darauf reingefallen. Mit Vollgas darauf abgefahren.

Das richtige Shirt am richtigen Ort

Planung war elementar in meiner aktiven Zeit als Band-Shirt-Träger. Schliesslich musste das richtige Shirt zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Weil ja, es gab durchaus ein paar Regeln zu beachten beim Tragen der Shirts:

  • Regel Nummer 1: Keine neuen Shirts anziehen

Ein neu gekauftes Shirt wird nie an Ort und Stelle angezogen. Das ist stillos. Erstens hat man zu diesem Zeitpunkt bereits das richtige Shirt an, und zweitens verletzt man sonst Regel Nummer 2.

  • Regel Nummer 2: Kein Shirt der Band anziehen, die auf der Bühne steht

Wir sind kompetente Fans. Keine blinden Groupies. Uncooler als ein Shirt der Band anziehen, die gerade auf der Bühne steht, ist eigentlich nur noch, wenn Bandmitglieder ein Shirt ihrer eigenen Band tragen.

  • Regel Nummer 3: Band auf Shirt ist mit Band auf der Bühne abgestimmt

Hier ist Feingefühl gefragt. Passt die Band auf dem Shirt zur Band auf der Bühne? Mögen sich diese beiden Bands? Haben sie eine gemeinsame Geschichte? Plump aber gut: Am Aerosmith-Konzert ein RUN DMC-Shirt tragen geht natürlich. Auch wenn sich die Frage sofort stellt, ob der Träger des RUN DMC-Shirts diese Band je live gesehen hat.

  • Regel Nummer 4: Tour-Shirts nur dann, wenn du die Tour gesehen hast

Es versteht sich von selbst, dass der Träger eines Tour-Shirts mit aufgedruckten Daten an mindestens einem dieser Konzerte dabei gewesen sein muss. Ausnahme: Es handelt sich um ein uraltes, vererbtes Tour-Shirt. Und in diesem Fall ist Regel Nummer 5 umso wichtiger.

  • Regel Nummer 5: Ich weiss über die Band auf meinem Shirt Bescheid

Ein Band-Shirt trägt man nicht, weil man den einen Song noch cool oder den Schriftzug irgendwie gut findet. Ein Band-Shirt trägt man nur von Bands, die man wirklich intensiv hört und liebt und kennt. Und ja: Man weiss auch in welcher Band der Gitarrist heute spielt, der für die Band auf deinem Shirt die drei ersten Alben eingespielt hat.

Die Band-Shirt-Todsünde

Ein Band-Shirt wird an einem Konzert gekauft. Alles andere gilt nicht. Zu meiner Zeit als Band-Shirt-Träger war der Online-Handel zwar noch kein Thema. Es gab aber Märkte und Läden, die Band-Shirts verkauften. Mal eben beim Stadtbummel ein Shirt von der Stange kaufen, war aber ebenso verpönt, wie es heute uncool ist, sich ein Shirt im Internet zu bestellen. Wieso? Weil es dem Shirt dadurch von Anfang an an Geschichte mangelt.

Bye Bye Band-Shirts

Anfang 20 hatte ich genug. Immer seltener streifte ich mir meine Bands als Shirts übers. Immer weniger waren die Bands auf meinen Shirts meine Bands. Langsam verstaubte der Stapel von über 50 Band-Shirts im Kasten. Und so landete meine Sammlung eines Tages in einem 110Liter-Sack. Und dieser bei einem Freund, der Lehrer war und die Shirts seinen Schülern schenkte.

Was ich damals nicht bedachte: Meine Shirts wechselten den Besitzer auf eine eigentlich unzulässige Art. Denn: Band-Shirts kauft man an einem Konzert. Alles andere gilt nicht.

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