Auf ihrem neuen Album «Lotus» blüht die Londonerin Little Simz zur Höchstform auf. Und das vor dem Hintergrund, dass sie sich grad mit ihrem langjährigen musikalischen Komplizen verstritten hat. Dass dennoch ein übermässig gutes Werk vorliegt, ist eigentlich schon der erste Beweis für ihre Grösse.
Die «Sounds!»-Redaktion liefert fünf weitere Gründe, weshalb Little Simz die wichtigste Rapperin der Gegenwart ist:
1. Zwischen Rap, Meditation und Therapie
Lea Inderbitzin, Host «Sounds!»
Little Simz ist die Grösste, weil sie auf «Lotus» so problemlos eine Meditationsstunde, Therapie und einen Rap-Cypher gleichzeitig abhält, wie es im Hip-Hop keine andere macht. Überdies sprechen auch die Fakten für sich: Einerseits gilt 171 cm Körpergrösse nicht als klein, andererseits geht sie mit ihren 31 Jahren auch nicht mehr als «die Kleine» im Sinne von jung durch.
2. Die regenerative Superpower
Claudio Landolt, Redaktor «Sounds!»
Das Album heisst «Lotus», weil die Lotusblume auch im schlammigen Wasser gedeihe. In Vietnam sagt man sich überdies, dass die Blume das umliegende Wasser reinige. Diese Superpower steckt auch in Little Simz. Sie verwandelt mit «Lotus» negativ zu positiv. Seit ihr ehemaliger Produzent Inflo (Sault, Adele, Tom Odell) von ihr 1,7 Millionen Pfund geliehen und nicht zurückbezahlt habe, herrscht Krieg zwischen den beiden. Little Simz musste sich eine neue musikalische Heimat bauen – und schauen, wie sie die Steuern bezahlen kann. An so was könnte man leicht kaputtgehen, Little Simz hingegen wächst über sich hinaus.
3. 100 Prozent kompromisslose Menschlichkeit
Luca Bruno, Host «Sounds!»
Sie vereint technische Finesse und künstlerische Zurückhaltung. Hier wird Virtuosität nicht als Selbstzweck inszeniert, sondern vollständig in den Dienst der Narrative gestellt. Simz' Geschichten atmen in den warmen Texturen organischer Produktionen wie lebendige Erinnerungen: mal leise, mal laut, immer präzise. Rap, der sich jenseits blosser Genre-Konventionen etabliert: klug, kompromisslos, selbstkritisch – und immer zutiefst menschlich.
4. Der «Ich will mehr davon»-Effekt
Pablo Vögtli, Host «Bounce» & Redaktor «Sounds!»
Simz ist in ihrer eigenen Zone. Sie verzichtet darauf, sich irgendwelchen musikalischen Trends anzupassen oder strategische Feature-Gäste zu casten. In ihrer Stimme schwingt auch immer etwas leicht Beunruhigendes mit, was dazu beiträgt, dass man ihr an den Lippen klebt. Gerade auf langen, orchestralen Songs wie dem Titeltrack «Lotus» kreiert sie mit ihrer stimmlichen Intensität eine Kurzweiligkeit, welche die thematische Tiefe kontrastiert. Wenn Eminem drei Minuten durchrappt, bevor ein Chorus einsetzt, ist es zwar toll, aber auch anstrengend – bei Little Simz hingegen spielt sich ein dreiminütiger Film ab, den man sofort zurückspulen und wiederhören möchte.
5. Grösser als die grössten Kollaborationen
Andi Rohrer, Host «Sounds!»
Sie hat ein Faible für extraordinäre Kooperationen: vom nigerianisch-britischen Sänger Obongjayar über die englische Musikerin Cleo Sol (kennt man sonst von Sault) bis zur UK-Pop-Royalty Coldplay auf der anderen Seite des Genre-Spektrums. Trotz mehreren hochkarätigen Kollaborationen funkeln auf ihrem neuen Album bezeichnenderweise aber gerade jene Tracks am hellsten, die sie alleine bestreitet, wie «Young» und «Free». Was wiederum einiges über ihre Grösse aussagt.
Little Simz spielt am 26. September 2025 in der Halle 622 in Zürich.