Auf dem neuen Garbage-Album «Let All That We Imagine Be the Light» verteilt Rock-Ikone Shirley Manson nicht nur Kinnhaken, sondern auch Hoffnung. Aktuell auf der Abschussliste der bald 60-Jährigen stehen Pessimismus und Altersdiskriminierung.
SRF: Shirley, diesen Sommer wird euer Debütalbum «Garbage» 30 Jahre alt. Was verbindest du mit dieser Zeit?
Shirley Manson: Es war wie ein Ritt auf einer Mondrakete. Aufregend, aber auch verwirrend und wir waren unter extremem Druck. Es war spannend, auf jeden Fall! Aber ich habe keinerlei Lust, dahin zurückzugehen. Ich bin heute eine ganz andere Person und ich möchte auch, dass man das in unserer Kunst spürt.
Der Sound des neuen Albums «Let All That We Imagine Be the Light» erinnert aber durchaus an eure Anfangszeit. Gräbt man da auch mal im eigenen Archiv, um die Nostalgie etwas anzukurbeln?
Oh Gott, nein, yuck! Ich habe kein Interesse daran, die Vergangenheit zu repetieren. Ich bin sehr stolz auf unsere Alben und unsere Karriere. Wir haben viel investiert und immer versucht, etwas Neuartiges zu machen. Ich bin eine Frau und ich bin eine komplett andere Person als 1995. Ich nehme die Welt ganz anders wahr.
Was mich am allermeisten antreibt, ist Hoffnung.
Nächstes Jahr werde ich 60. Ich würde es schlicht und einfach hassen, auf dem Sterbebett eingestehen zu müssen, dass ich mich einfach immer und immer wieder selbst kopiert habe. Ich bin immer noch hungrig, Neues zu sehen, zu fühlen und zu denken.
Inhaltlich liefert ihr ein absolutes Feuerwerk: Anti-Ageism, Anti-Pessimismus, Anti-Nostalgie – hast du keine Angst, dass diese Parolen einfach verpuffen?
Musik hat die enorme Kraft, Menschen zu berühren und niemand kann das aufhalten. It’s unfuckable with. Keine Politikerin und kein Politiker wird jemals eine solche Kraft besitzen. Was mich am allermeisten antreibt, ist Hoffnung. Für mich ist es ein Akt des Widerstands, in der heutigen Zeit Hoffnung zu verbreiten.
Das Älterwerden und insbesondere Altersdiskriminierung sind zentrale Themen. Warum?
Es gab schon in den 90ern Artikel, die sagten ich sei zu alt. Ich war noch nicht einmal 30. Damals hat mir das sehr zugesetzt. Jetzt verspüre ich nur noch Mitleid mit Menschen, die denken, eine Frau sei mit 25 nichts mehr wert.
Man muss das ganz einfach ignorieren, weil es eine Lüge ist. Alle meine Heldinnen – Grace Jones, Debbie Harry, Patti Smith, Chaka Khan – haben fantastische Karrieren weit über die 70 oder sogar 80 hinaus.
Im Musikbusiness gibt es auch heute noch grosse Ungleichheiten. Was hältst du von Initiativen wie einer Genderquote an Festivals?
Ich bin immer noch oft die einzige Frau im Line-up eines Festivals. Das hat auch damit zu tun, dass man ein gewisses Level erreichen muss, was vielen verwehrt bleibt.
Das Problem ist nicht mehr, dass man kaum weiblich gelesene Acts auf der Bühne sieht, sondern dass es weiterhin fast unmöglich bleibt, als Künstlerin lange im Geschäft zu bleiben, wenn man dem männlich geprägten Blick nicht gefällt.
Eure aktuelle Welttournee heisst «Happy Endings Tour». Wie muss man den Titel verstehen?
Ich muss brutal ehrlich sein: Ich bin die jüngste in dieser Band und ich werde 60. Ich musste beide Hüftgelenke operieren und habe so meine Vergänglichkeit hautnah erfahren. Wir sind nicht mehr ständig auf Tour, auch aus finanziellen Gründen sind besonders Europa-Tourneen beinahe unerschwinglich.
Als wir letztes Mal in Paris – einer meiner Lieblingsstädte – gespielt hatten, musste ich daran denken: «Werden wir das Glück haben und können jemals wieder hierher zurückkommen?»
Das Gespräch führte Andi Rohrer. Das vollständige Interview ist in der aktuellen Folge «Sounds!» vom 03.06.2025 zu hören.