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Sounds! Story: Machen alte Hits den Pop von heute aus?
Aus Sounds! Story & Talk vom 16.05.2023. Bild: WARNER
abspielen. Laufzeit 21 Minuten 23 Sekunden.
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Hit-Recycling Darauf ist der Pop gerade scharf

Interpolationen verbinden alte und neue Hörerkreise, befeuern Internet-Memes und lassen längst vergessene Hits wieder aufleben. Podcaster und Autor Charlie Harding erklärt das Phänomen «Interpolation» im Interview mit Musikredaktor Claudio Landolt.

War früher alles besser? Falls ja, wäre dies eine Begründung, weshalb immer mehr alte Hitmelodien in neuen Popsongs auftauchen. Das Phänomen heisst «Interpolation» und hat gerade Hochblüte. Musikjournalist Charlie Harding erklärt im Podcast «Sounds! Story», weshalb die Nachahmung alter Hits im Pop so hip ist.

Charlie Harding

Charlie Harding

Musikjournalist und Podcaster

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Charlie Harding hostet und produziert seit 2014 den Musikpodcast «Switched On Pop», in dem er mit Co-Host Nate Sloan aktuelle Poptrends kulturgeschichtlich einordnet und deutet. Nebst seiner Tätigkeit als Podcaster ist er Buchautor und publiziert in diversen amerikanischen Print- und Onlinemedien zum Thema Popmusik.

Charlie Hardings Podcast: Switched On Pop

SRF: Was ist eine Interpolation?

Charlie Harding: Im Pop spricht man von einer Interpolation, wenn jemand einen Ausschnitt eines Songs in einen neuen Song einbaut. Im Gegensatz zu einem Sample, wo man die Originalaufnahme eines alten Tracks in einen neuen einsetzt, spielt man bei einer Interpolation den Ausschnitt selbst neu ein. Eine Interpolation ist auch kein klassisches Cover, da man nicht den ganzen Song nachspielt, sondern nur einen Teil davon.

Also ein musikalisches Zitat. Und davon gibt es immer mehr ...

Ich habe die Amerikanische Single-Jahreshitparade der letzten zehn Jahre untersucht und dabei herausgefunden, dass sich die Anzahl der Interpolationen mehr als verdoppelt hat. Vor zehn Jahren verwies jede zehnte Song auf eine Interpolation, heute ist es durchschnittlich jeder Fünfte.

Wer aus einem alten Hit einen neuen machen will, muss wissen, wie man einen Hit schreibt.

Wie lässt sich diese Zunahme begründen?

Die Leute mögen Altbekanntes, das neu verpackt wird. Zudem steckt der Pop in einer Nostalgie-Schlaufe. Interpolationen verbinden alte und neue Hörerkreise, befeuern Internet-Memes und lassen längst vergessene Hits wieder aufleben.

Letztlich sprechen wir auch immer mehr über Interpolationen, weil seit der Digitalisierung auf rechtlicher Ebene immer mehr angeklagt wird. Landet man heute einen Hit und ein anderer Songwriter hört darin eine Ähnlichkeit zu einem bereits geschriebenen Song, wird vermehrt angeklagt. Damit verbunden wird der Begriff «Interpolation» auch immer mehr ins Feld geführt.

Hinzu kommt, dass eine Interpolation rechtlich weniger aufwändig zu klären ist, wie ein Sample ...

Stimmt. In beiden Fällen muss man die Bewilligung bei den Urhebern einholen. Bei einem Sample braucht man aber auch noch die Bewilligung der Eigentümerinnen und Eigentümer der Aufnahme. Diese liegen oft nicht bei den Artists selbst, sondern bei den Labels und Verlagshäusern.

Ist interpolieren nicht einfach billiges Trittbrettfahren?

Im Gegenteil. Wer aus einem alten Hit einen neuen machen will, muss wissen, wie man einen Hit schreibt. Eine gute Interpolation ist auch ein Kunstwerk.

Teilweise wachsen Interpolationen sogar zu ganzen Genres heran.

Inwiefern machen für Sie Interpolationen die Popmusik spannender?

Das Schönste an Interpolationen ist, dass sie uns Türen zur Musikgeschichte aufstossen können. Teilweise wachsen Interpolationen sogar zu ganzen Genres heran. Der berühmte Schlagzeugbeat «Amen Break» zum Beispiel: Durch die Wiederverwendung, sei es durch zigfaches Sampling oder nachgespielten Interpolationen, entstand eine Basis für HipHop, Jungle oder Drum and Bass.

Wie lange dauert der Interpolations-Trend noch an?

In Bezug auf Interpolationen sehe ich im Moment noch keine klare Trendwende. Aber sobald man das Gefühl hat, es klänge alles gleich, kommt etwas Neues, wächst zum Trend heran und wird von allen kopiert. Bis dann wieder etwas Neues kommt.

Das Gespräch führte Claudio Landolt.

SRF 3, Morgenshow!, 17.05.2023, 06:00 Uhr

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