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Maschine vs. Mensch Ungewöhnliches Experiment: Zürcher Band covert KI-Song

Pablo Infernal covert das Lied «Dust on the Wind» der KI-Band The Velvet Sundown. Wie klingt das und wem gehört dieses Lied nun?

«Schrecklich». Das Urteil der Zürcher Rockband Pablo Infernal über den KI-generierten Song «Dust on the Wind» von The Velvet Sundown, der vor einigen Wochen für Furore sorgte im Netz, fällt klar und deutlich aus. Der Song sei zu generisch, steril und absehbar, sagen die vier Musiker unisono. «Jeder Aspekt zielt darauf ab, dass der Song möglichst vielen Leuten gefallen soll. Das ist wie musikalische Dosenravioli.»

SRF hat Pablo Infernal nicht nur um ihre Meinung, sondern auch um eine eigene Version von «Dust on the Wind» gebeten. Beim Erarbeitungsprozess habe sich die Stromlinienförmigkeit und Einfachheit des Songs als Krux herausgestellt, sagen Pablo Infernal.

Keine Ecken und Kanten

«Die Akkordabfolgen hat man schon sehr oft gehört. Das war künstlerisch frustrierend», sagt Flavio Scano. Ausserdem hebe sich der Refrain in punkto Dynamik nicht wirklich vom Rest des Songs ab.

Herausgekommen ist eine düstere, verspielte Version, an der Tom Waits bestimmt seine Freude hätte. Bei der Aufnahme handelt es sich um eine Demo-Version aus dem bandeigenen Studio und nicht um eine fertige Produktion. Trotzdem gibt sie einen guten Einblick, wie ein Song Ecken, Kanten und Charakter bekommen kann.

Wem gehört ein KI-generierter Song?

Dass Pablo Infernal «Dust on the Wind» ins eigene Repertoire aufnehmen, wird nicht passieren. Aber was wäre wenn? Wem gehört ein KI-generierter Song?

Wer in der Schweiz ein Musikstück komponiert, meldet es normalerweise bei der SUISA an, um dann Tantiemen zu erhalten, wenn das Stück irgendwo gespielt wird. «100 Prozent KI-generiert Songs können nicht urheberrechtlich geschützt werden», sagt Noah Martin von der SUISA.

Könnten Pablo Infernal ihre Version schützen lassen?

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Nein. Damit man Schutz für ein Musikwerk beanspruchen kann, muss man Urheber oder Urheberin dieses Werks sein. Das Werk muss im eigenen Geist geschaffen worden sein. Das ist ein Cover nicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob der ursprünglicher Song von Menschenhand oder KI komponiert wurde.

Etwas anders sieht es aus, wenn Pablo Infernal aus dem Song eine Bearbeitung machen, also einen merklichen schöpferischen Beitrag dazu leisten (z.B. kompositorische Teile hinzufügen oder den Text übersetzen). Weil KI-generierte Songs nicht rechtlich geschützt sind, gelten sie als Gemeingut. Wenn solches Gemeingut mit eigener Kreativität gepaart wird, kann das Resultat als Ganzes wiederum schutzfähig sein.

Aber sobald ein Mensch kreativen Input liefert und nicht nur die KI arbeiten lässt, wird’s kompliziert. Es komme auf das Verhältnis an, also wie viel Kreativität im Schaffensprozess vom Menschen und wie viel von der KI komme. «Doch das nachzuweisen, ist schwierig.»

Kein zuverlässiges KI-Erkennungstool

Zwar gibt es heute KI-Erkennungssoftware, aber diese lassen sich nur bedingt einsetzen. Denn: Die Software erkennt zwar, wenn ein Song mit KI klanglich umgesetzt wurde, aber er könnte ja von Hand komponiert worden sein. Oder die Melodie wurde mit KI komponiert und dann mit analogen Instrumenten eingespielt.

Das sagt das Gesetz zu KI-Trainings

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Darf man KIs mit urheberrechtlich geschützter Musik trainieren?

Urheberrechtsfrei ist Musik erst 70 Jahre nach dem Tod der Autorin oder des Autors. Aufgrund des Alters von urheberrechtsfreier Musik ist sie nur bedingt nützlich für das Training von KI. Unter bestimmten Voraussetzungen darf urheberrechtlich geschütztes Material verwendet werden, z. B. zwecks wissenschaftlicher Forschung. Allerdings sind KI-Trainings meist nicht wissenschaftlich, sondern rein wirtschaftlich motiviert.

Wie stellt man sicher, dass KI nicht bei bestehenden Songs klaut?

Die KI kopiert nicht direkt von Songs, sondern schreibt in einem ähnlichen Stil. Sie «lernt» quasi von den Songs, mit denen sie trainiert wurde. Allerdings kann man nie sicher sein, ob ein KI-generierter Song einem bereits existieren Song so sehr ähnelt, dass es sich um eine Urheberrechtsverletzung (Plagiat) handelt.

Was sagt das Schweizer Recht zur Verwendung von Songs zum Trainieren von KI?

Aktuell gibt es in der Schweiz kein spezifisches Gesetz, das die Verwendung von Songs zum Trainieren von KI regelt. Anwendbar sind Urheberrecht (URG), Persönlichkeitsrecht (ZGB) und das Datenschutzrecht (DSG).

Ständerätin Petra Gössi hat eine Motion eingereicht, in welcher sie einen besseren Schutz von geistigem Eigentum vor KI fordert. Der Ständerat hat den Vorschlag im März 2025 gutgeheissen, aktuell beschäftigt sich der Nationalrat damit.

In beiden Fällen stösst die KI-Erkennungssoftware an ihre Grenzen. Entsprechend verfügt die SUISA über kein zuverlässiges Erkennungstool, sondern kann ihre Mitglieder nur vertraglich verpflichten, keine rein KI-generierte Musik anzumelden.

Keine Angst vor KI

Fast ein Fünftel der Songs, die täglich bei Streamingplattformen angemeldet werden, sind rein KI-generierte Songs – das zeigte im Juni eine Mitteilung von Deezer. Schlaflose Nächte verbringen Pablo Infernal deswegen trotzdem nicht.

Die Stärke der Band liegt in ihren rohen und wilden Live-Auftritten. Hier bekommt das Publikum etwas, das KI nicht liefern kann: Ehrlichkeit, Nähe, Menschlichkeit. «So lange eine KI nicht schwitzt, vor Aufregung zu viel Bier trinkt und auch mal dissonant in die Saiten haut, dabei aber das Publikum emotional abholt, machen wir uns keine Sorgen.»

Radio SRF 3, 27.8.2025, 9:15 Uhr

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