So sehr auch mir Crowdfunding-Aktionen missfallen, so bewusst ist mir, dass man als Band neue Wege gehen muss, um ein Album, eine Tour oder Musikvideos zu finanzieren. Crowdfunding ist eine Möglichkeit und zwar eine, die leider sehr oft nach denselben Schemen funktioniert: Der Fan unterstützt die Band und «darf» dafür eine Rolle im Clip übernehmen, oder er/sie wird auf dem Tonträger namentlich erwähnt oder kriegt als Dankeschön sogar ein Privatkonzert.
Mich persönlich interessieren diese «Preise» leider alle nicht, da ich nicht Teil eines Projekts sein will, in welches ich mich sozusagen eingekauft habe. Ich bin als Fan also nur schwer bis gar nicht zu begeistern dafür.
Ist die Crowdfunding-Ablehnung ein Schweizer Problem?
Als die Basler Sängerin Anna Rossinelli vor ein paar Tagen ihren Fans das Konzept eines neuen Albums, welches in Amerika entstehen und durch 50‘000 Franken vorfinanziert werden soll, vorstellte, erntete sie nicht nur Beifall.
Die darauffolgende Titelgeschichte der Gratiszeitung «20 Minuten» mit der Überschrift «Anna Rossinelli bettelt ihre Fans an», löste einen wahrhaftigten Shitstorm aus. Sowas wäre in England undenkbar, schreibt unser Musikexperte in London, Hanspeter «Düsi» Künzler:
Crowdfunding hat sich in England längst als eine völlig legitime Methode etabliert, die es Künstlern erlaubt, im Zeitalter schwindender Tonträgerverkäufe und versiegender finanzieller Unterstützung durch die Plattenfirmen doch noch irgendwie zu Geld zu kommen. Nie wäre bis anhin jemand auf die Idee gekommen, Künstler, die über Crowdfunding-Plattformen Geld sammeln, als Bettler hinzustellen. Die britische Musikszene ist sich nur allzu wohl bewusst, dass Kunst – welche Kunst auch immer – den Künstler letztlich auch ernähren muss. Jegliche Versuche von Musikern, irgendwie ihr nächstes Album oder ihre nächste Tournee zu finanzieren, gelten als absolut okay – je schlauer und schräger, desto besser.
Verdammen wir unsere Künstler zu Hobbyrockstars?
Je mehr die klassische Musikindustrie einbricht und Musiker kaum mehr Chancen haben, sich als Kleinstunternehmer auf dem Markt zu behaupten, desto klarer degradieren wir unsere Musikerinnen und Musiker zu Hobbyrockstars. Musikschaffende, die das nicht werden wollen, müssen sich etwas einfallen lassen. Eine Möglichkeit ist – eben – Projekt-Finanzierung via Crowdfunding.
So funktioniert Crowdfunding
Eine andere Möglichkeit wäre natürlich, wir würden wieder ganz klassisch Tonträger kaufen und konsequent für Downloads bezahlen. So hätten wir wieder den uns offenbar sympathischeren Ablauf von «Produkt gegen Bezahlung». Doch so ist es nicht mehr und wird es kaum mehr werden. Daher ist es nur logisch, dass wir mit Crowdfunding-Aktionen überschüttet werden.
Somit ist es nicht verwunderlich, dass wir crowdfundingmüde sind – und ja, mich nerven diese Aktionen. Mich nervt aber auch, dass es mich nervt – denn ich sehe sehr wohl, dass gewisse Projekte kaum mehr anders zu finanzieren sind. Zu hoffen bleibt, dass die Crowdfunding-Müdigkeit nicht in einer Kulturmüdigkeit endet. Das wäre verheerend.