Neue Therapieansätze - LSD-Trips gegen psychische Erkrankungen?
Schon heute werden in der Schweiz Depressionen in Ausnahmefällen mit illegalen Substanzen wie LSD behandelt. Erste Resultate einer neuen Studie des Universitätsspitals Basel bestätigen die Wirksamkeit von LSD bei Depressionen. Damit ist der Weg frei für eine baldige Zulassung als Medikament.
Depressionen sind in der Schweiz weit verbreitet: Laut Bundesamt für Statistik (BFS) leidet fast ein Zehntel der Bevölkerung darunter. Lange Zeit waren Antidepressiva die einzigen Medikamente, mit denen die Krankheit behandelt werden konnte. Das Problem dabei: Die Wirksamkeit von Antidepressiva ist umstritten. Bei ungefähr 30 Prozent der Betroffenen wirken sie nicht.
MDMA könnte schon Ende Jahr zugelassen werden
Doch spätestens vor neun Jahren flammte die Hoffnung auf neuartige Behandlungsarten auf: Seit 2014 ist es nämlich möglich, mithilfe von eigentlich illegalen Substanzen wie LSD, MDMA oder Psilocybin zu therapieren – mit einer Ausnahmebewilligung (siehe Box). Per Dezember 2022 waren es in der Schweiz rund 40 Ärztinnen, die insgesamt 261 Patienten mit einem der drei Wirkstoffe behandelten.
Das braucht es für eine Ausnahmebewilligung
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Psychedelika sind hierzulande seit den 1970er-Jahren verboten. Selbst eine ärztliche Fachperson kann kein LSD, MDMA (der Wirkstoff in «Ecstasy») oder Psilocybin (der Wirkstoff in «Magic Mushrooms») verschreiben.
In der wissenschaftlichen Forschung und Arzneimittelentwicklung hingegen sind LSD, MDMA und Psilocybin erlaubt. Und mit einer Ausnahmebewilligung des BAG ist bereits jetzt die beschränkte medizinische Anwendung
möglich. Jedoch nur unter strengen Voraussetzungen:
Die Krankheit beeinträchtigt die Lebensqualität der betroffenen Person stark.
Schulmedizinische Behandlungen erzielen nicht die gewünschte Wirkung.
Erfahrungsgemäss kann die Substanz den Therapieverlauf begünstigen.
Nur wenn alle drei Kriterien erfüllt sind, erhalten Ärztinnen und Ärzte eine Ausnahmebewilligung.
Etabliert haben sich insbesondere MDMA bei posttraumatischen Belastungsstörungen und Psilocybin bei behandlungsresistenten Depressionen. Jedoch kommen Psychedelika auch bei weiteren Diagnosen zum Einsatz – unter anderem bei Suchterkrankungen, Ess- oder Zwangsstörungen, Cluster-Kopfschmerzen und Migräne.
Von der Substanz-assistierten Therapie ausgeschlossen sind Patientinnen und Patienten mit psychotischer Erkrankung oder Psychosen in der Verwandtschaft. Auch eine Bipolare Störung oder Borderline Persönlichkeitsstörung können gegen den Einsatz von Psychedelika sprechen.
Eine Studie des Universitätsspitals Basel und der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel bestätigt nun, dass LSD bei Depressionen wirksam ist. Im April 2023 legten die Forschenden erste Resultate vor, in den nächsten Wochen wird die Studie bei wissenschaftlichen Zeitschriften eingereicht. Doch während der Wirkstoff MDMA bereits Ende dieses Jahres zugelassen werden könnte, wird es bei LSD noch einige Jahre dauern bis zur Zulassung.
Noch mindestens drei Jahre bis zum ersten LSD-Medikament
Studienleiter Matthias Liechti, stellvertretender Chefarzt für Klinische Pharmakologie am Universitätsspital Basel, sagt: «Bei MDMA liegen bereits zwei sogenannte Phase-III-Studien vor, die eine Zulassung des Wirkstoffes ermöglichen. Bei LSD und Psilocybin sind wir erst bei Phase II.»
Das heisst: Es brauche noch grosse Pharma-Studien mit mehreren Hundert Patienten. Erst danach sei eine Zulassung möglich. Und auch diese ist bloss ein Zwischenziel: Danach kommt noch die Vermarktung. Im Falle von LSD rechnet Liechti mit mindestens drei Jahren bis zum ersten Medikament.
Noch kein Interesse von grossen Pharma-Konzernen
Dass es dereinst solche Arzneimittel geben wird, steht für ihn ausser Frage, zumal derzeit viel investiert werde. Grosse Pharmakonzerne hätten zwar bisher noch kein Interesse signalisiert. Doch Liechti rechnet damit, dass die grossen Firmen früher oder später auf den Zug aufspringen werden, das heisst: die kleinen Firmen, die im Bereich der Psychedelika tätig sind, aufkaufen werden.
Doch auch wenn der Hype um LSD gross ist, gibt es Vorbehalte gegenüber der Substanz. Matthias Liechti spürt die Auswirkungen des jahrelangen Verbots von LSD nach wie vor: «Wir haben das Problem, dass wir die Substanz nicht exportieren können für unsere wissenschaftlichen Projekte im Ausland.»
LSD kann massiv aufwühlen
Den Respekt vieler Menschen gegenüber LSD kann er durchaus verstehen: «LSD ist eine Substanz, mit der man vorsichtig umgehen muss. Als Forscher ist es nicht in meinem Interesse, dass alle damit experimentieren.» Man müsse sich der Nebenwirkungen bewusst sein: «LSD kann massiv aufwühlen.» Das sei nicht zu unterschätzen.
Doch grundsätzlich sei LSD ein sicherer Wirkstoff, der nicht körperlich abhängig mache: «Wir haben mehr Sicherheitsdaten als für jedes andere Medikament, das neu entwickelt wird.»
So wurde die Schweiz zur Psychedelika-Pionierin
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Der Schweizer Chemiker Albert Hofmann hat die halluzinogene Wirkung von LSD im Jahr 1943 entdeckt. 1958 hat er erstmals Psilocybin isoliert.
Schnell fanden Psychedelika den Weg in die Psychotherapie. Sandoz, heute Teilkonzern der Novartis, hat einen Grossteil der weltweiten Forschungsprojekte mit LSD und Psilocybin versorgt – bis der zunehmend unkontrollierte Konsum in den 1970er-Jahren unter politischem Druck zum Verbot der Substanzen führte.
Anders als die meisten Länder hat die Schweiz schon früh einen Handlungsspielraum für die medizinische Behandlung mit verbotenen Substanzen geschaffen. Die offene Drogenszene auf dem Zürcher Platzspitz mag für diesen liberalen Umgang entscheidend gewesen sein. Matthias Liechti, Professor für klinische Pharmakologie, erklärt: «Die Schweiz musste eine pragmatische, zielführende Drogenpolitik umsetzen.» So bewilligte der Bundesrat 1992 beispielsweise auch die ärztlich kontrollierte Abgabe von Heroin, Morphin und Methadon an Abhängige.
Dank der liberalen Drogenpolitik konnten Forschende und ärztliche Fachpersonen hierzulande also früher als in anderen Ländern wieder mit Psychedelika arbeiten. Bereits zwischen 1988 und 1993 ermöglichte eine Ausnahmebewilligung des BAG den therapeutischen Einsatz von MDMA und LSD.
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