Die vielleicht wichtigste Hose der Schweiz bestand vor Kurzem noch aus Flachs, der teilweise in der EU hergestellt wurde. Damit ist nun Schluss. Dieses Wochenende feiert die «Zwilchhose 100 Prozent made in Switzerland» Premiere am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest 2025.
Härtetest bestanden
Das Herzstück des Schweizer Schwingsports muss robust sein. Die Schwinger sind schliesslich keine Leichtgewichte, und im Kampf wirken enorme Kräfte. Das feste und langlebige Leinen – ein Produkt aus den Fasern der Flachspflanze – eignet sich daher gut für die Schwinghose.
Bevor die neuen Hosen aus Schweizer Flachs am ESAF zugelassen wurden, testeten alle Teilverbände und Klubs das Schweizer Produkt ein halbes Jahr lang. Die Rückmeldungen waren positiv, die Hosen sind zugelassen. Damit das überhaupt möglich ist, braucht es viel Einsatz – denn der Anbau von Flachs ist nicht ganz einfach.
Bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts war Flachs eine der wichtigsten Kulturpflanzen in der Schweiz. Durch die Industrialisierung wurde Baumwolle günstig und verdrängte das aufwendig hergestellte Leinen.
Nun haben sich Bauern aus dem Emmental das Wissen zum Flachsanbau neu angeeignet. Dafür sind sie nach Holland gereist, wo Flachs im grossen Stil angebaut wird. Einer von ihnen ist Adrian Brügger. Der Pionier erklärt, dass die feinen Gräser mit der Wurzel geerntet werden müssen, damit die Fasern für die Weiterverarbeitung lang genug sind.
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Bild 1 von 2. Bauer Adrian Brügger vor der Flachszupfmaschine, die für den Flachsanbau in der Schweiz einzigartig ist. Bildquelle: SRF/Riccarda Trepp.
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Bild 2 von 2. Mit dieser Maschine wird zusätzlich der Leinsamen geerntet. So werden neben Fasern auch Leinsamen für die Nahrungsmittelindustrie produziert. Bildquelle: SRF/Riccarda Trepp.
Dafür sind normalen Mähdrescher für Getreide ungeeignet. In Holland fanden die Emmentaler nicht nur Erfahrung im Umgang mit Flachs, sondern auch die richtigen Maschinen.
Vom Samen zur Hose
Bauer Adrian Brügger spricht liebevoll von einer «Diva», wenn er über seinen zarten Flachs spricht. Die Pflanze brauche von der Aussaat bis zur Ernte viel Gefühl. Der Prozess vom Samen bis zum Kleidungsstück aus Leinen ist ziemlich komplex. Insgesamt dauert er fast zwei Jahre: Der Flachs wird geerntet, getrocknet, aufbereitet, danach wird Leinengarn hergestellt.
Das Leinengarn-Weben passiert im Ausland, da es in der Schweiz die Maschinen dafür nicht mehr gibt. Wenn das Garn zurück in die Schweiz kommt, verwebt eine Toggenburger Firma die Leine zu Stoffen. Danach wird er im Tessin zugeschnitten und kommt schliesslich nach Utzenstorf (BE) für den Vertrieb. Aus dem Emmental hat auch Karin Ochsner ihren Stoff. Die Firma der gelernten Sattlerin wurde damit beauftragt, die diesjährigen ESAF-Hosen zu nähen. In ihrer Werkstatt hat sie in einem Jahr 100 Schwinghosen genäht.
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Bild 1 von 2. Karin Ochsner näht in ihrer Werkstatt im glarnerischen Netstal die Schwinghosen für das ESAF 2025. Bildquelle: SRF/Riccarda Trepp.
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Bild 2 von 2. 100 Schwinghosen hat Karin Ochsner in einem Jahr genäht: 50 davon dunkel, 50 hell. Bildquelle: SRF/Riccarda Trepp.
Damit bleibt ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung in der Schweiz. Ein wesentliches Element des traditionellen Schweizer Sports stammt nun aus heimischer Produktion – und steigert die Swissness des ESAF 2025 in Mollis.
Gegenbewegung zu Fast Fashion
Produkte aus Schweizer Leinen sei Slow Fashion, erklärt der Agronom Dominik Füglistaller. Es gehe darum, ein Statement zu setzen, die Kleider wieder mehr wertschätzen. «Die Menschen sollen nachfragen, woher die Ware kommt und wer sie produziert. Man soll sich bewusst sein, dass es seinen Preis hat, wenn etwas in der Schweiz produziert wird.» Ihren Preis haben auch Schwinghose und Gurt am ESAF: rund 30'000 Franken wurden investiert - und damit ein Stück Schweiz ins Sägemehl getragen.