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Rehmann «Ich hätte nie gedacht, dass eine Therapie so viel auslösen kann»

Im offenen Gespräch mit Robin Rehmann erzählt der 30-jährige Pflegefachmann Luca, wie er seit mehreren Jahren mit regelmässigen Panikattacken lebt – und wie sich eine EMDR-Therapie als besonders hilfreiche Behandlung erwiesen hat.

Seine erste Panikattacke hat Luca ausgerechnet im Spital, seinem Arbeitsort. Nach einer stressigen Nachtschicht verspürt der heute 30-Jährige während dem Umziehen in der Garderobe plötzlich ein immer wie stärker werdendes Kribbeln. Es gesellen sich Herzrasen und Ohnmachtsgefühle dazu. Lucas erster Gedanke: Herzinfarkt!

Mit allerletzter Kraft schafft es der Frauenfelder auf die Notfallstation und lässt sich dort von seinen Kolleg:innen durchchecken. Ausser hohen Blutdruckwerten und einem erhöhten Puls können die behandelnden Ärzt:innen jedoch nichts Auffälliges feststellen.

Zwar weisen sie ihn darauf hin, dass seine Symptome auch auf eine Panikattacke hindeuten könnten, daran möchte er jedoch nicht so wirklich glauben. «Wenn man so etwas zum ersten Mal erlebt, vermutet man, dass es etwas Körperliches sein muss.»

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Doch die nächste Attacke lässt nicht lange auf sich warten. Dieses Mal passiert es in der Kantine. Wieder Spätschicht, wieder Ohnmachtsgefühle, wieder Schwindel. «Es fühlt sich an wie eine Welle, die man nicht aufhalten kann», beschreibt Luca.

Die Panikattacken beginnen sich zu häufen – bis sie schliesslich täglich eintreten. Etwas, das dem jungen Mann vorübergehend die Lebensfreude nimmt. Nebst einem ständigen Schwindelgefühl («Es ist ein bisschen so, wie wenn man permanent zwei Gläser Bier intus hat.»), dominiert nun auch die Angst vor der nächsten Attacke. Und das Gefühl der Hilflosigkeit. «Komme ich da irgendwann wieder heraus?», fragt sich Luca.

Kaffee-Überkonsum oder Panikattacke?

Erst als Luca einige Zeit später über eine Folge von «S.O.S. Rehmann» stolpert, in welcher Sara über ihre Panikattacken spricht , realisiert er: Ich leide an Panikattacken! «Ich dachte beim Hören des Podcasts immer wieder: ‹Das sind auch meine Ängste!›», erinnert er sich.

Und plötzlich fällt dem Frauenfelder ein, dass er bereits drei Jahre vorher, während einer stressigen Nachtschicht in einem Pflegeheim, ein ähnliches Panikattacken-Erlebnis hatte. Damals vermutete er jedoch noch, er habe einfach zu viel Kaffee getrunken.

Luca sucht den Ausweg aus der Angstspirale und beginnt eine Gesprächstherapie. Das Ziel dort: seine Angst verstehen zu lernen. Kein leichtes Unterfangen, denn: «Das ist auch heute noch immer eine Herausforderung», sagt der Hobby-Musiker, der mittlerweile verheiratet und Vater eines 2-jährigen Sohnes ist.

Tränen nach der EMDR-Therapie

Nach einem Jahr ambulanter Psychotherapie fühlt sich Luca «austherapiert». Sobald jedoch einschneidende Lebensereignisse anstehen, melden sich die Panikattacken wieder häufiger zurück.

Luca sucht darum erneut Hilfe auf. Als besonders erfolgreich erweisen sich dabei zwei Dinge:  Die Lektüre des Buches «Wenn plötzlich die Angst kommt», welche ihm Hoffnung auf «bessere Zeiten» geben, sowie eine EMDR-Therapie. Mittels dieser Therapieform versucht er, Traumata aus seiner Vergangenheit aufzuarbeiten.

EMDR-Therapie

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«EMDR» steht für «Eye Movement Desensitization & Reprocessing»

Bei dieser Therapie, die seit Ende 1980er-Jahre durchgeführt wird, folgt die zu behandelnde Person den Fingern der Therapeutin mit den Augen von links nach rechts. Diese Stimulation unterstützt das Gehirn, Selbstheilungskräfte zu aktivieren und unangenehme Erinnerungen zu verarbeiten.

Luca erinnert sich an einen Schlüsselmoment, nachdem er im Rahmen dieser Therapie den frühen Tod seiner Mutter bespricht: «Zu diesem Zeitpunkt weinte ich schon lange nicht mehr und zeigte selten meine Emotionen.» Eine Woche später sitzt der Frauenfelder im Auto und plötzlich kullern die Tränen. «Das war eine extrem befreiende Erfahrung. Ich hätte nie gedacht, dass eine Therapie so etwas auslösen kann.»

S.O.S. – Sick of Silence

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Wie sieht das Leben junger Menschen aus, nachdem es durch eine chronische Krankheit ausgebremst wurde? Robin Rehmann leidet selbst an einer chronischen Krankheit und unterhält sich in seiner Sendung mit Betroffenen.

Jeden Dienstag, 18-19 Uhr bei SRF Virus oder hier als Podcast.

Auch Psychopharmaka unterstützen den Familienvater auf seinem Weg zur Besserung. «Wenn man zum ersten Mal eine Pille schluckt, denkt man: ‹Werde ich jetzt ein völlig anderer Mensch?›». Doch die Medikamente helfen. Und als sie Luca für kurze Zeit eigenhändig absetzt, werden auch seine Panikattacken wieder häufiger.

Mittlerweile ist Luca an einem Punkt angekommen, an welchem er seinen Gesundheitszustand als «gut» bezeichnet. Er stellt fest: Die Phasen ohne Panikattacken werden immer wie länger.

Und nicht nur Lucas Blick in die Zukunft ist zuversichtlich, auch der Blick zurück ist bei ihm ein optimistischer: «Ich habe mich früh freiwillig für eine Therapie entschieden und mich nie geweigert, über meine Probleme zu sprechen», bilanziert er und fügt an: «Ich würde nichts anders machen.»

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