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Al Sisi
Legende: Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi an der UNO-Vollversammelung in New York. Keystone

Ägypten unter Al-Sisi Brutstätte von Gewalt und Terrorismus

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi dient sich dem Westen an als Bollwerk gegen den Terror. Doch mit der erbarmungslosen Unterdrückung der Zivilgesellschaft bewirkt er das Gegenteil. SRF-Korrespondent Pascal Weber schildert das Verschwinden des Menschenrechtsanwalts Ezzat Ghoneim.

Ezzat Ghoneim hätte eigentlich bald wieder frei sein sollen. Seit März 2018 sass der prominente Menschenrechtsanwalt in Kairo in Haft. Angeklagt wegen «Verbreitung falscher Nachrichten» und der «Unterstützung einer terroristischen Vereinigung». Eine häufige Anklage-Formel im Ägypten unter Präsident Sisi, wenn es darum geht, unliebsame Oppositionelle auszuschalten.

Doch dann ordnete ein Gericht überraschend die Freilassung von Ezzat Ghoneim an. Das war am 4. September. Kurz darauf jedoch verschwand Ghoneim. Spurlos.

Das letzte Mal, dass seine Frau ihn gesehen hat, war der 13. September, neun Tage nach dem richterlichen Freilassungsbefehl. Gegenüber «Human Rights Watch», welche den Fall von Ezzat Ghoneim öffentlich machte, erklärte sie, die Offiziere auf der Polizeistation, in welcher er in Haft war, hätten ihr zuerst erklärt, sie würden ihn trotz der Anweisung nicht freilassen.

Als sie am zehnten Tag nach der richterlichen Anweisung wieder zur Polizeistation ging, um ihren Mann mit Nahrungsmitteln und Kleidern zu versorgen, erklärten ihr die Beamten, sie hätten Ghoneim frei gelassen. Doch weder seine Frau noch seine Freunde oder Anwälte haben ihn seitdem gesehen oder von ihm gehört. Ghoneim bleibt verschwunden.

Missachtung sämtlicher Gesetze

«Einen Anwalt im Angesicht einer expliziten richterlichen Freilassungs-Anweisung mit Gewalt verschwinden zu lassen, reflektiert die Missachtung der ägyptischen Sicherheitskräfte gegenüber jedem Gesetz», sagt Michael Page, der stellvertretende Direktor von «Human Rights Watch» für den Nahen Osten und Nordafrika.

Ghoneim und seine Gruppe hatten zuvor wiederholt Fälle von Folter oder erzwungenem Verschwinden dokumentiert. Und davon gibt es viele im Ägypten unter Präsident Sisi.

Rund 60’000 politische Gefangene sitzen in Ägyptens Gefängnissen. Vor Militärgerichten sind rund 15’000 Prozesse hängig. Die Gefangenen werden meist gefoltert, die Untersuchungshaft ohne richterliche Verfügung endlos verlängert.

Und selbst wer von einem Gericht freigesprochen wurde, oder dessen Haft abgelaufen ist, ist oft nicht wirklich frei. Ein bekannter Kopf des arabischen Frühlings muss sich jeden Tag zwölf Stunden auf einer Polizeistation aufhalten – nachdem er eine fünfjährige Haftstrafe wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten abgesessen hat.

Kein Bollwerk gegen Terrorismus

Das Regime von Präsident Sisi leugnet solche Verbrechen konsequent. Und spielt gegenüber dem Westen das alte Spiel des alleine gegen den Terrorismus kämpfenden Bollwerks, das für seinen Kampf unterstützt werden muss.

Dabei ist das Regime von Ex-General Sisi genau das Gegenteil: eine Brutstätte von Frustration und Extremismus. Denn wie sagte uns vor kurzem der Chef des internationalen Pressebüros eines anderen autokratischen Staates der Region: «Zwei Bande sind unzertrennlich: diejenige aus der Armeezeit – und diejenige aus dem Gefängnis.»

Chronologie einer Talfahrt

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Sieben Jahre ist es her, seit der arabische Frühling in Ägypten ankam. Inspiriert von der Revolution in Tunesien begann im Januar 2011 der Aufstand im Land am Nil. Was sich damals öffnete, war die Chance auf ein freies und besseres Leben. Eine Chronologie.

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