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Dropshipping «Sie leben das Dubai-Luxusleben – wir haben alles verloren»

Sie versprechen finanziellen Erfolg mit wenig Aufwand und präsentieren ihr erfolgreiches Luxusleben auf Social Media. Doch hinter der glänzenden Fassade von Dropshipping-Influencern steckt oft ein anderes Bild: Überteuerte Kurse, leere Versprechen und Menschen, die mit Schulden zurückbleiben.

«Ich habe meine Lebensversicherung aufgelöst, während er in Dubai sein Leben geniesst und sie um die Welt jettet – wo ist hier die Gerechtigkeit?» Für Soraya* ist es jedes Mal ein Stich ins Herz, wenn sie auf Instagram sieht, wie sich die Influencer Donya und Melih als erfolgreiche Unternehmer inszenieren.

In Designerkleidern posieren sie mit Luxusautos, schwärmen von ihrem Business und preisen das vermeintlich einfache Rezept für den Reichtum an. Ihr Unternehmen Beeboss verspricht schlüsselfertige Webshops, automatisierte Prozesse und finanzielle Freiheit für ihre Kunden – doch Soraya fühlt sich betrogen.

Dubai-Luxus-Leben auf Instagram

Sie hat rund 40’000 Franken in ein Komplettpaket investiert: einen professionell aufgebauten Online-Shop inklusive Mentoring, Produktbeschaffung und Werbeberatung. «Geliefert wurde kaum etwas. Das wenige, das geliefert wurde, war unbrauchbar», sagt Soraya. Statt durchzustarten, bleibt sie auf der gesamten Investition sitzen.

Nachdem sie die Rechnung bezahlt hatte, sei sie nämlich nur noch vertröstet worden, wenn sie Kontakt zu den beiden aufnehmen wollte. Auch nach Monaten war ihr Shop noch nicht online.

Abmahnungen und wenig Inhalt

Neben den schlüsselfertigen Online-Shops bieten Donya und Melih auch Onlinekurse und 1:1-Mentoring in ihrer sogenannte Dropshipping-Academy an. Doch auch hier ist die Kritik laut: Auf Bewertungsplattformen wie Trustpilot warnen die Nutzenden ausdrücklich davor – von «Betrug» und «Abzocke» ist die Rede. Fast 60 Prozent der Bewertungen fallen mit nur einem Stern vernichtend aus.

Was ist Dropshipping?

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Dropshipping ist ein Geschäftsmodell im Onlinehandel, bei dem Händler Produkte anbieten, ohne sie selbst zu lagern oder zu verschicken.

Sobald eine Bestellung eingeht, wird der Artikel direkt vom Hersteller oder Grosshändler an die Kundin oder den Kunden geliefert. Der Händler übernimmt lediglich den Verkauf und das Marketing – Lagerhaltung, Verpackung und Versand entfallen.

Verdient wird am Unterschied zwischen dem Einkaufspreis beim Lieferanten und dem Verkaufspreis im eigenen Online-Shop.

Zwei der Teilnehmerinnen, die knapp 1000 Franken für den Zugang zur Academy bezahlt haben, sind Lisa* und Mara*. «Versprochen wurde viel, bekommen haben wir eigentlich nichts», sagen beide. Die Schulungsinhalte seien unstrukturiert und oberflächlich – vieles davon finde man schneller und in besserer Qualität kostenlos auf Youtube.

Zudem berichten die beiden Frauen von einem rauen Klima in der Academy. «Wer kritische Fragen gestellt hat, wurde fertiggemacht oder sogar aus den Gruppenchats geschmissen.» Diese seien laut den Teilnehmerinnen wichtig, weil dort der einzige Support in der Academy stattfinden würde – nicht durch Donya oder Melih, sondern untereinander.

Die Online-Schulungen der Academy.
Legende: Auf der Plattform seien die Kurse unübersichtlich dargestellt – Informationen zum Dropshipping würde man einfacher auf Youtube finden, erzählen Teilnehmende. beebossacademy.de

Solche teuren Kurse mit mutmasslich wenig Substanz anzubieten, ist grundsätzlich nicht verboten. Brisant wird es jedoch bei anderen Versprechen: Die beiden Influencer werben mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz, die den Teilnehmenden angeblich automatisch Reichweite auf ihren Online-Shops verschaffen soll. SRF Impact und SRF Data konnten Einblick in Zugriffsdaten nehmen, diese deuten stark auf einen automatisierten Bot hin.

Denn: Die Zugriffe stammen fast ausschliesslich von Computern mit dem Betriebssystem Linux, welches in der Praxis nur die wenigsten nutzen. Die Aufrufe kommen nicht etwa über Google oder soziale Medien, sondern direkt über die Shops. Und auch auffällig: Statt aus verschiedenen Regionen stammen die Zugriffe fast zu 100 Prozent von einem einzigen Ort in den USA. Ein realistisches Nutzerverhalten sieht anders aus – vieles deutet deshalb auf künstlich erzeugten Traffic hin.

Abstruse Anleitungen

Ein weiterer heikler Punkt in der Academy: In einem der Schulungsvideos wird erklärt, wie man Inhalte von Influencerinnen und anderen Shops herunterladen und selbst verwenden kann – inklusive Schritt-für-Schritt-Anleitung. Einige Teilnehmende, die dieser Empfehlung folgten, wurden später abgemahnt und mussten Bussen von mehreren Tausend Franken zahlen.

Eine hohe Summe und doch nur ein Bruchteil dessen, was andere Betroffene investiert haben, um einen fixfertigen Shop zu erhalten. Wie eine weitere Kundin erklärt: «Es klang alles so einfach, ich investiere jetzt mein Geld, aber habe dank meinem Shop die Kosten innerhalb von zwei, drei Monaten wieder gedeckt.»

Das sagt Beeboss zu den Vorwürfen

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Donya bestreitet die Vorwürfe und verweist auf eine hohe Eigenverantwortung im Online-Business, sie könnten keine Erfolgsgarantie versprechen. In der Dropshipping-Academy hätten die Teilnehmenden über 400 Stunden Videomaterial zur Verfügung. Zudem habe es jede Woche acht Stunden Live-Schulungen gegeben. Es handle sich um ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Sie verweist weiter darauf, dass die Schulung zum Herunterladen von Influencer-Inhalten von einer Teilnehmerin durchgeführt worden sei. Im Nachhinein würde sie das nicht mehr zulassen und direkt nach dem Interview das entsprechende Video von der Plattform entfernen. Bis Redaktionsschluss war der entsprechende Inhalt immer noch auffindbar.

Zur künstlichen Intelligenz sagt Donya, dass sie nicht wisse, wie diese funktionieren würde, es gäbe aber Kunden, die Bestellungen aus der ganzen Welt erhalten würden. Weiter darauf eingehen wollte sie nicht.

Melih wollte sich vor der Publikation nicht zu den Vorwürfen äussern, hat nachträglich aber zu einzelnen Punkten Stellung genommen.

So verweist er darauf, dass eine im Beitrag zitierte Person in einem Gerichtsverfahren unterlegen sei und ihre Website weiterhin Bilder enthalte, die im Rahmen eines von ihm organisierten Shootings entstanden seien.

Zudem betont Melih, er lebe dauerhaft in einer Villa in Dubai und besitze einen Ferrari mit Schweizer Kennzeichen. Nur ein kleiner Teil der Kritikpunkte sei aus seiner Sicht berechtigt.

Auch Alina ist den Versprechen von Donya und Melih gefolgt. Rund 12’000 Franken hat sie bezahlt – für einen Online-Shop, der bis heute nicht online ist. Es ist das gleiche Muster wie bei Soraya: Immer wieder sei sie vertröstet worden, erzählt sie. «Ich habe für drei Zoom-Calls 12’000 Franken ausgegeben, es kann mir niemand sagen, dass das so viel Wert hat», sagt sie. Der Frust sitzt tief. Sie hat mittlerweile rechtliche Schritte eingeleitet – ein Weg, der für viele noch weitere Risiken mit sich bringt.

«Ich kenne Leute, die haben sich für die versprochenen Dienstleistungen einen Kredit aufgenommen», sagt Alina. «Sie schämen sich und haben Angst, jetzt noch mehr Geld für einen Anwalt auszugeben.» Für viele sei das traurige Kapitel damit erzwungenermassen abgeschlossen. Während die Influencer weiter ihr Highlife zeigen, bleiben andere auf ihren Schulden sitzen.

Alina erzählt ihre Geschichte in einer Hotellobby.
Legende: Auch der gross gezeigte Erfolg von Donya hat Alina überzeugt: «Wer so erfolgreich ist, muss ja etwas vom Geschäft verstehen.» SRF

Während sich Influencer wie Donya und Melih mit Selfmade- und Erfolgssprüchen in Szene setzen, berichten auch weitere ehemalige Kundinnen und Kunden von Frust, Verlusten und juristisch schwer greifbaren Versprechen. Die Mechanik dahinter sei oft dieselbe, sagt E-Commerce-Expertin Anna Zakharova von der ZHAW. «Man inszeniert sich als erfolgreiche Geschäftsperson und lockt so Kunden an, die das vermeintlich selbe erreichen wollen.»

Fassade des Erfolgs

«Wir alle haben heute eine verzerrte Wahrnehmung von Geld und Erfolg», sagt Zakharova. Plattformen wie Instagram würden eine Welt zeigen – mit Palmen, Porsches und Passiveinkommen –, in der Reichtum scheinbar leicht erreichbar sei. «Das Luxusleben wird zum Gradmesser dafür, ob jemand erfolgreich ist. Und wer sich gut inszenieren kann, gilt als glaubwürdig.» Viele wollten so schnell wie möglich wohlhabend werden und genau diese Hoffnung werde von gewissen Influencern ausgenutzt.

Melih und Donya teilen in den sozialen Medien beispielsweise gerne einen Artikel über sich selbst im weltweit anerkannten Wirtschaftsmagazin «Forbes Magazine». Dass es sich dabei um eine gekaufte Anzeige handelt, ist für viele nicht auf den ersten Blick ersichtlich – der Effekt wirkt, die Darstellung als erfolgreiches Business-Duo verfestigt sich bei den Followern. Man will nun auch die vermeintliche Abkürzung zum Reichtum einschlagen – man möchte auch ins Dropshipping-Geschäft einsteigen.

Ein Screenshot von einem Artikel im Internet. Auf dem Bild sind Melih und Donya zu sehen.
Legende: Kann Eindruck machen: Der Artikel von Donya und Melih auf der Schweizer Seite des «Forbes Magazine» – gekennzeichnet als Advertorial, also eine Werbeanzeige im Stil eines redaktionellen Artikels. forbes.swiss

Doch aus Sicht der Expertin funktioniert das Geschäftsmodell heute nur noch für eine verschwindend kleine Minderheit. «Nur rund 1.5 Prozent aller Dropshipping-Shops erreichen überhaupt einen Monatsumsatz von mehr als 50’000 US-Dollar», sagt Zakharova. «Die grossen Erfolgsstorys, die auf Social Media kursieren, sind absolute Ausnahmeerscheinungen – aber sie wirken, als wären sie die Regel.»

Hinweise zur Recherche

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Für diese Recherche hat SRF Impact über Monate mit verschiedensten Betroffenen aus der Schweiz und Deutschland gesprochen. Der Redaktion liegen Dokumente vor, die darauf hinweisen, dass im ganzen DACH-Raum Personen Leistungen von Donya und Melih in Anspruch genommen haben und mutmasslich nicht die vereinbarte Leistung erhielten.

Zudem liegt eine rechtskräftige Verurteilung wegen Betrugs im Kanton Zürich gegen Melih vor. Dies hat die Staatsanwaltschaft der Redaktion bestätigt.

Was bleibt, ist ein Geschäftsmodell, das weniger von funktionierenden Shops lebt – sondern vor allem von der grossen Hoffnung. Ein Versprechen, mit dem man angeblich im Schlaf reich wird. In der Realität ist dies kaum der Fall – denn dieses Dropshipping-Modell, wie es Donya und Mehli als Erfolgsrezept vermarkten, sei längst am Ende, sagt E-Commerce-Expertin Zakharova: «Diese Art von Dropshipping ist tot.»

*Namen geändert und der Redaktion bekannt.

«SRF Impact Reportage»

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Sie sehen das Logo von SRF Impact Reportage.
Legende: SRF

So kompliziert und vielschichtig unsere Welt auch ist, wir wollen sie verstehen. Dafür gehen wir auf die Suche nach Antworten. In Reportagen tauchen wir ein in unsere Schweizer Gesellschaft und nehmen dich mit: Gib dir Deep Talk, Zweifel und Lichtblicke mit unseren Hosts Amila Redzic und Livio Carlin.

Alle Folgen «SRF Impact Reportage» sind auf Play SRF.

SRF 4 News, 16.7.2025, 16:45 Uhr;liea

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