«Ich habe meine Lebensversicherung aufgelöst, während er in Dubai sein Leben geniesst und sie um die Welt jettet – wo ist hier die Gerechtigkeit?» Für Soraya* ist es jedes Mal ein Stich ins Herz, wenn sie auf Instagram sieht, wie sich die Influencer Donya und Melih als erfolgreiche Unternehmer inszenieren.
In Designerkleidern posieren sie mit Luxusautos, schwärmen von ihrem Business und preisen das vermeintlich einfache Rezept für den Reichtum an. Ihr Unternehmen Beeboss verspricht schlüsselfertige Webshops, automatisierte Prozesse und finanzielle Freiheit für ihre Kunden – doch Soraya fühlt sich betrogen.
Dubai-Luxus-Leben auf Instagram
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Bild 1 von 7. Erfolgreich und ein Leben auf der Sonnenseite – so präsentiert sich Donya auf Instagram. Bildquelle: Instagram / donyadardmand.
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Bild 2 von 7. Auch Melih setzt auf diese Karte. Bildquelle: Instagram / Mekor.
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Bild 3 von 7. Sie zeigen sich als erfolgreiche Geschäftsleute. Bildquelle: Instagram / donyadardmand.
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Bild 4 von 7. Laut eigenen Angaben kennen sich die beiden aus einem Restaurant in Zürich, wo sie beide gearbeitet haben sollen. Bildquelle: Instagram / Mekor.
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Bild 5 von 7. Sie suchen auf verschiedenen Wegen die Öffentlichkeit: Donya als Kandidatin in der RTL-Sendung «Bachelor in Paradise». Bildquelle: RTL.de.
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Bild 6 von 7. Laut ihren Social-Media-Profilen jetten sie rund um den Globus. Bildquelle: Instagram / Mekor.
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Bild 7 von 7. Die meisten Bilder stammen aber aus Dubai. Bildquelle: Instagram / donyadardmand.
Sie hat rund 40’000 Franken in ein Komplettpaket investiert: einen professionell aufgebauten Online-Shop inklusive Mentoring, Produktbeschaffung und Werbeberatung. «Geliefert wurde kaum etwas. Das wenige, das geliefert wurde, war unbrauchbar», sagt Soraya. Statt durchzustarten, bleibt sie auf der gesamten Investition sitzen.
Nachdem sie die Rechnung bezahlt hatte, sei sie nämlich nur noch vertröstet worden, wenn sie Kontakt zu den beiden aufnehmen wollte. Auch nach Monaten war ihr Shop noch nicht online.
Abmahnungen und wenig Inhalt
Neben den schlüsselfertigen Online-Shops bieten Donya und Melih auch Onlinekurse und 1:1-Mentoring in ihrer sogenannte Dropshipping-Academy an. Doch auch hier ist die Kritik laut: Auf Bewertungsplattformen wie Trustpilot warnen die Nutzenden ausdrücklich davor – von «Betrug» und «Abzocke» ist die Rede. Fast 60 Prozent der Bewertungen fallen mit nur einem Stern vernichtend aus.
Zwei der Teilnehmerinnen, die knapp 1000 Franken für den Zugang zur Academy bezahlt haben, sind Lisa* und Mara*. «Versprochen wurde viel, bekommen haben wir eigentlich nichts», sagen beide. Die Schulungsinhalte seien unstrukturiert und oberflächlich – vieles davon finde man schneller und in besserer Qualität kostenlos auf Youtube.
Zudem berichten die beiden Frauen von einem rauen Klima in der Academy. «Wer kritische Fragen gestellt hat, wurde fertiggemacht oder sogar aus den Gruppenchats geschmissen.» Diese seien laut den Teilnehmerinnen wichtig, weil dort der einzige Support in der Academy stattfinden würde – nicht durch Donya oder Melih, sondern untereinander.
Solche teuren Kurse mit mutmasslich wenig Substanz anzubieten, ist grundsätzlich nicht verboten. Brisant wird es jedoch bei anderen Versprechen: Die beiden Influencer werben mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz, die den Teilnehmenden angeblich automatisch Reichweite auf ihren Online-Shops verschaffen soll. SRF Impact und SRF Data konnten Einblick in Zugriffsdaten nehmen, diese deuten stark auf einen automatisierten Bot hin.
Denn: Die Zugriffe stammen fast ausschliesslich von Computern mit dem Betriebssystem Linux, welches in der Praxis nur die wenigsten nutzen. Die Aufrufe kommen nicht etwa über Google oder soziale Medien, sondern direkt über die Shops. Und auch auffällig: Statt aus verschiedenen Regionen stammen die Zugriffe fast zu 100 Prozent von einem einzigen Ort in den USA. Ein realistisches Nutzerverhalten sieht anders aus – vieles deutet deshalb auf künstlich erzeugten Traffic hin.
Abstruse Anleitungen
Ein weiterer heikler Punkt in der Academy: In einem der Schulungsvideos wird erklärt, wie man Inhalte von Influencerinnen und anderen Shops herunterladen und selbst verwenden kann – inklusive Schritt-für-Schritt-Anleitung. Einige Teilnehmende, die dieser Empfehlung folgten, wurden später abgemahnt und mussten Bussen von mehreren Tausend Franken zahlen.
Eine hohe Summe und doch nur ein Bruchteil dessen, was andere Betroffene investiert haben, um einen fixfertigen Shop zu erhalten. Wie eine weitere Kundin erklärt: «Es klang alles so einfach, ich investiere jetzt mein Geld, aber habe dank meinem Shop die Kosten innerhalb von zwei, drei Monaten wieder gedeckt.»
Auch Alina ist den Versprechen von Donya und Melih gefolgt. Rund 12’000 Franken hat sie bezahlt – für einen Online-Shop, der bis heute nicht online ist. Es ist das gleiche Muster wie bei Soraya: Immer wieder sei sie vertröstet worden, erzählt sie. «Ich habe für drei Zoom-Calls 12’000 Franken ausgegeben, es kann mir niemand sagen, dass das so viel Wert hat», sagt sie. Der Frust sitzt tief. Sie hat mittlerweile rechtliche Schritte eingeleitet – ein Weg, der für viele noch weitere Risiken mit sich bringt.
«Ich kenne Leute, die haben sich für die versprochenen Dienstleistungen einen Kredit aufgenommen», sagt Alina. «Sie schämen sich und haben Angst, jetzt noch mehr Geld für einen Anwalt auszugeben.» Für viele sei das traurige Kapitel damit erzwungenermassen abgeschlossen. Während die Influencer weiter ihr Highlife zeigen, bleiben andere auf ihren Schulden sitzen.
Während sich Influencer wie Donya und Melih mit Selfmade- und Erfolgssprüchen in Szene setzen, berichten auch weitere ehemalige Kundinnen und Kunden von Frust, Verlusten und juristisch schwer greifbaren Versprechen. Die Mechanik dahinter sei oft dieselbe, sagt E-Commerce-Expertin Anna Zakharova von der ZHAW. «Man inszeniert sich als erfolgreiche Geschäftsperson und lockt so Kunden an, die das vermeintlich selbe erreichen wollen.»
Fassade des Erfolgs
«Wir alle haben heute eine verzerrte Wahrnehmung von Geld und Erfolg», sagt Zakharova. Plattformen wie Instagram würden eine Welt zeigen – mit Palmen, Porsches und Passiveinkommen –, in der Reichtum scheinbar leicht erreichbar sei. «Das Luxusleben wird zum Gradmesser dafür, ob jemand erfolgreich ist. Und wer sich gut inszenieren kann, gilt als glaubwürdig.» Viele wollten so schnell wie möglich wohlhabend werden und genau diese Hoffnung werde von gewissen Influencern ausgenutzt.
Melih und Donya teilen in den sozialen Medien beispielsweise gerne einen Artikel über sich selbst im weltweit anerkannten Wirtschaftsmagazin «Forbes Magazine». Dass es sich dabei um eine gekaufte Anzeige handelt, ist für viele nicht auf den ersten Blick ersichtlich – der Effekt wirkt, die Darstellung als erfolgreiches Business-Duo verfestigt sich bei den Followern. Man will nun auch die vermeintliche Abkürzung zum Reichtum einschlagen – man möchte auch ins Dropshipping-Geschäft einsteigen.
Doch aus Sicht der Expertin funktioniert das Geschäftsmodell heute nur noch für eine verschwindend kleine Minderheit. «Nur rund 1.5 Prozent aller Dropshipping-Shops erreichen überhaupt einen Monatsumsatz von mehr als 50’000 US-Dollar», sagt Zakharova. «Die grossen Erfolgsstorys, die auf Social Media kursieren, sind absolute Ausnahmeerscheinungen – aber sie wirken, als wären sie die Regel.»
Was bleibt, ist ein Geschäftsmodell, das weniger von funktionierenden Shops lebt – sondern vor allem von der grossen Hoffnung. Ein Versprechen, mit dem man angeblich im Schlaf reich wird. In der Realität ist dies kaum der Fall – denn dieses Dropshipping-Modell, wie es Donya und Mehli als Erfolgsrezept vermarkten, sei längst am Ende, sagt E-Commerce-Expertin Zakharova: «Diese Art von Dropshipping ist tot.»
*Namen geändert und der Redaktion bekannt.