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Kinder-Intensivstation Familien und Kinder im Ausnahmezustand – zu Besuch auf der IPS

Auf der Kinder-IPS werden schwerkranke Patienten behandelt. Es sind Geschichten von angeborenen Herzfehlern, allergischen Schocks und komplexen Krankheitsfällen. Am Bett der Kleinen steht ein Team von Spezialisten und Expertinnen, das unermüdlich um das Leben der Kinder kämpft.

Die Intensivpflegestation (IPS) des neuen Kinderspitals Zürich ist eingerichtet für besonders anspruchsvolle Fälle. Die kleine Enola wird direkt nach der Geburt aus einem anderen Spital ins «Kispi» gebracht. Sie kommt mit einem schweren Herzfehler zur Welt, von dem die Eltern und Ärzte nichts wussten.

«Wir hätten uns nur verrückt gemacht», sagt Enolas Mutter Larissa Siegrist. Vor drei Tagen hatte sie einen Kaiserschnitt und steht nun zusammen mit ihrem Mann Beat so oft es geht am Bett der Tochter. «In einer solchen Situation macht man einfach und funktioniert», erzählen die Eltern, die zu Hause noch zum zweieinhalbjährigen Sohn schauen müssen. 

Zwischen Schläuchen und Maschinen wacht am Bett der herzkranken Enola Laura Fehr, sie ist Expertin für Intensivpflege auf der Station. Sie streichelt Enolas Fuss, währenddessen sie ihren Kreislauf im Blick hat und alle Werte überwacht. «Die Betreuung der Eltern ist ein wichtiger und grosser Teil meiner Arbeit. Wir sind die erste Ansprechperson, sind Tag und Nacht da, auch wenn die Eltern mal heimmüssen.»

Ohne Teamwork geht auf der IPS nichts

Laura Fehr gefällt die intensive Betreuung und Verantwortung, die sie für die Kinder hat. Trotzdem belasten sie die persönlichen Schicksale. «Die Machtlosigkeit der Eltern ist manchmal hart mitanzusehen», sagt Fehr. Erst recht, wenn es an ihr liegt, den Eltern ehrlich mitzuteilen, wie es um den Zustand des Kindes steht. 

Zwei Krankenschwestern im Gespräch neben einem Baby in einem Krankenhausbett.
Legende: IPS-Pflegefachexpertin Laura Fehr am Bett der neugeborenen Enola im Kinderspital Zürich. SRF

Am Bett der kleinen Patienten ist man ein Team: Ärzteschaft, Pflegekräfte und Spezialisten aus verschiedenen medizinischen Disziplinen. Luregn Schlapbach, Chefarzt und Leiter der Intensivstation und Neonatologie, versucht Hierarchien abzubauen: «Das Beste für ein Kind schaffen wir nur, wenn wir alle zusammen unsere Expertise einbringen.»

Kinder, die auf der IPS behandelt werden, haben in der Regel ein Leben von 80 Jahren vor sich.
Autor: Luregn Schlapbach Leiter Intensivstation

Auf der IPS gehe nichts ohne den anderen, weiss Schlapbach, der auf die Bedeutung von Kindermedizin aufmerksam macht. «Kinder, die auf der IPS behandelt werden, haben in der Regel ein Leben von 80 Jahren vor sich.» 

Auf Zimmer 31 liegt Lars Zurbuchen. Er hatte einen allergischen Schock und ist notfallmässig aus einem anderen Spital auf die IPS verlegt worden. Der Neunjährige wird künstlich beatmet und von den Pflegefachkräften richtig gelagert.

Später kommt eine Physiotherapeutin dazu, die den noch schlafenden Lars mobilisiert. Lars’ Krankengeschichte geht zurück bis in den Kindergarten. Er erlitt eine Hirnblutung, was eine halbseitige Gesichtslähmung zur Folge hatte. Die Eltern wünschen sich für ihren Sohn, dass er bald wieder beidseitig lächeln kann.

Kispi unter Druck

Das neue Kinderspital in Zürich steht unter finanziellem Druck und medialer Dauerbeobachtung. Wie jedes Spital in der Schweiz kämpft es um Personal. Zur Verfügung stehen 31 Betten auf der Intensivstation, betreiben können sie mangels Fachkräften nur 25.  

Zwei Erwachsene und ein Kind in einem Krankenhauszimmer, eine Pflegekraft trägt Schutzkleidung.
Legende: Mutter Martina Hollenstein mit ihrer zehnjährigen Tochter im Kinderspital Zürich. SRF

Die ersten anderthalb Jahre ihres Lebens hat die heute zehnjährige Thea im Kinderspital Zürich verbracht. Ein ganzes Jahr davon auf der IPS. Thea kam mit einer zu kleinen Herzkammer auf die Welt und ihr Leben hing an einem seidenen Faden. 

Am Anfang habe ich mich oft gefragt, warum das ausgerechnet uns passieren musste.
Autor: Martina Hollenstein Mutter von Thea

Im Alter von anderthalb Jahren erhielt Thea ein neues Herz. Das Leben ist seither ein hin und her zwischen Spital und ganz normaler Kindheit mit Schulalltag und Kindergeburtstag. «Am Anfang habe ich mich oft gefragt, warum das ausgerechnet uns passieren musste», erinnert sich Theas Mutter Martina Hollenstein.

Darauf gebe es keine Antwort. Das Schicksal habe sie viel gelehrt, zum Beispiel kleine Dinge zu schätzen und den Moment zu geniessen, sagt Hollenstein. 

Thea hat in ihrem Spitalzimmer einen «Verkäuferliladen» eingerichtet. Sie verkauft Bücher und Spielsachen, wovon jeder Artikel mit einem handgeschriebenen Preisschild versehen ist. Die beste Kundin in ihrem Laden: «Mami!», lacht Thea. 

Zurzeit ist Thea auf der Bettenstation im Kinderspital untergebracht. Es geht ihr nicht gut. Als Komplikation der Herz-Transplantation ist die Lunge angegriffen und Thea hat Mühe beim Atmen. 

Auch der Tod gehört dazu

Durchschnittlich zwei bis drei Tage liegen Kinder auf der Intensivstation. Die meisten verbringen danach noch Tage bis Wochen der Heilung auf der Bettenstation, bevor sie zurück in den Alltag können.

Andere erholen sich nicht und sterben auf der Intensivstation. Eine Wirklichkeit, mit der das Spitalpersonal konfrontiert ist. «Überleben ist schön, aber Sterben kann auch ein Weg sein», sagt Laura Fehr und erinnert sich an Fälle, wo der Tod eine Erlösung für das Kind bedeutete. 

Vier Erwachsene und zwei Kinder vor einem Apfelbaum im Freien.
Legende: Familie Siegrist daheim in Bözberg AG: Larissa Siegrist mit Enola, sechs Monate, Beat Siegrist mit Vitus, drei Jahre. SRF

Das herzkranke Mädchen Enola hat sich von den Strapazen in den ersten Lebensmonaten zum Glück gut erholt. Ein halbes Jahr später sitzt sie munter und pausbäckig auf dem Arm der Mutter. Daheim in Bözberg AG, wo die Familie einen Bauernhof hat.

«Aus ihr wird wahrscheinlich nie eine Spitzensportlerin, aber dafür ein richtiges Bauernmädchen», sind die Eltern überzeugt. Sie wissen, dass sie dank der medizinischen Versorgung auf der IPS ein Leben geschenkt erhielten.

SRF 1, Mona mittendrin, 4.12.2025, 20:05 Uhr; weds

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