Was ist ADHS?
Die Ursache der sogenannten A ufmerksamkeits d efizit- und H yperaktivitäts s törung (ADHS) ist Vererbung. Zusätzlich können weitere Faktoren eine Rolle spielen. Früher sprach man vom Zappelphilippsyndrom. Man dachte vor allem an unruhige, unkonzentrierte Knaben. Heute weiss man, dass beide Geschlechter betroffen sein können. Nicht alle Betroffenen weisen eine motorische Unruhe auf, ADHS kann sich auch in verstärktem Träumen zeigen.
Bei Menschen mit ADHS werden Informationen und eigene Gedanken nicht automatisch vorgefiltert. Man muss also mit einer grösseren Datenflut zurechtkommen. Und man hat eine grössere, spontane Assoziationsbreite. Das hat im Alltag viele Nachteile (z.B. Mühe den Überblick zu gewinnen), kann sich aber in bestimmten Situationen durch erhöhte Kreativität und innovative Ideen als Vorteil erweisen.
Wie viele Menschen sind betroffen?
Nach heutigem Stand der Forschung haben rund 5 Prozent der Bevölkerung eine ADHS. Viele Erwachsene stellen erst durch die Diagnosestellung bei ihren Kindern fest, dass sie selbst ebenfalls betroffen sind.
Was sind die biologischen Ursachen?
Soweit bekannt stehen in gewissen Hirnarealen weniger der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin zur Verfügung. Diese Botenstoffe haben erstens eine gewisse Filterfunktion in der Informationsverarbeitung im Gehirn. Zweitens sind sie für die Steuerung sogenannt exekutiver Funktionen zuständig.
Wie äussert es sich?
ADHS kann zu einem breiten Spektrum an Symptomen führen. Die auffälligsten und bekanntesten sind erhöhte Ablenkbarkeit, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme, Organisationsschwierigkeiten, Mühe Prioritäten zu setzen, körperliche Hyperaktivität, Impulsivität, schnelle Stimmungsumschwünge und Probleme mit dem Selbstwert. Oft zeigt sich auch eine gesteigerte Unfalltendenz. Die Gefahr einer Suchtentwicklung ist erhöht.
Zudem besteht bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS eine verzögerte Hirnentwicklung, vor allem punkto emotionalem Sozialverhalten. Als Faustregel gilt, dass Kinder und Jugendliche mit ADHS rund drei Jahre «jünger» sind als ihr biologisches Alter. Das kann zu Schwierigkeiten unter Gleichaltrigen führen (z.B. Aussenseiterrolle), und insbesondere in der Pubertät zusätzliche Schwierigkeiten verursachen.
Diese verzögerte Hirnentwicklung wächst sich im frühen Erwachsenenalter aus. Die genetische Kondition «ADHS» bleibt aber bestehen.
Im Idealfall entwickeln Menschen mit ADHS spezielle Bewältigungsmechanismen, wodurch sie ein normales Leben führen können, und in der Regel auch weniger auffällig wahrgenommen werden. Manchmal kann es aber im Erwachsenenalter zu einem sogenannten Symptomwechsel kommen. Dabei treten Folgeschwierigkeiten in den Vordergrund wie z.B. depressive- und Angststörungen, Beziehungsschwierigkeiten oder auch Burnout.
Was ist wichtig im Umgang mit ADHS-Kindern? Wie hilft man ihnen zum Beispiel, wenn sie Probleme mit dem Selbstwertgefühl haben?
Kinder mit ADHS können sehr unterschiedlich sein. Im Sinne von Faustregeln kann man sagen, dass es meist eine gute Mischung von Freiraum und Freiheit, sowie Struktur und Regeln braucht. Wichtig ist eine wertschätzende Haltung, was nicht mit verwöhnender Schonhaltung verwechselt werden darf. Verlässliche Beziehungen sind für Kinder mit ADHS noch wichtiger als für andere Kinder.
Welche Extremformen zeigen sich?
Genau wie bei Menschen ohne ADHS gibt es bei ADHS-Betroffenen alles, von genialen Stützen der Gesellschaft bis zum wiederholt straffälligen Troublemaker. Dabei sind beide Extreme bei ADHS tendenziell stärker vertreten.
Welche positiven Aspekte hat ADHS?
In Bereichen, in denen sich Menschen mit ADHS gut auskennen, können sie meist viel schneller Zusammenhänge erkennen und treffende Entscheidungen fällen als gleich intelligente Menschen ohne ADHS. Manch besonders gute Notfallarzt hat eine ADHS.
Generell funktionieren ADHSler in Ausnahmesituationen deutlich besser als der Durchschnitt. Zudem ist die Hilfsbereitschaft meist erhöht.
Insgesamt sind Kreativität, Erfindergeist und innovatives Verhalten bei Menschen mit ADHS im Vergleich zu gleich intelligenten Menschen ohne ADHS erheblich ausgeprägter.
Was kann man gegen ADHS tun?
Zu wissen, dass man eine ADHS hat, ist extrem wichtig. Es ist die Voraussetzung, dass man gezielt etwas gegen allfällige Probleme damit tun kann.
Dann gilt es für Betroffene zu verstehen, was ADHS genau ist, und wie es funktioniert. Dadurch kann man systematisch erarbeiten, mit welchen Strategien man damit umgehen kann. Natürlich unterscheidet sich dies je nach Alter und Intelligenz. Was das im Einzelfall bedeutet, hängt auch stark von der Persönlichkeit des Betroffenen ab.
Manchmal sind Hilfsmittel wie äussere Strukturen (von zeitlichen regelmässigen Abläufen bis zu institutionellen Strukturen), organisatorischer Unterstützung (von direkter Hilfe bis zu Coaching) oder elektronische Möglichkeiten (vernetzte Agenda, elektronische Erinnerungen, Datenzugriff in Cloud, u.a.) sinnvoll. Das muss individuell erarbeitet werden.
Je nach Ausmass der ADHS-bedingten Schwierigkeiten können für die Behandlung zusätzlich auch Medikamente (z.B. Methylphenidat, bekannt als Ritalin, aber auch andere) sinnvoll oder sogar entscheidend sein.
Wann ist Ritalin sinnvoll?
Diese Frage muss immer individuell beantwortet werden. Ausmass der ADHS und des Leidens daran, drohender Beziehungs- oder Stellenverlust, Fehlentwicklungen müssen in Bezug auf den zu erwartenden Nutzen sowie möglichen Nebenwirkungen abgewogen werden.
Auf keinen Fall sollte ein Automatismus «ADHS also Ritalin» verwendet werden.
Die Verschreibung von Ritalin und ähnlicher Medikamente muss ausführlich besprochen werden.
Der Patient (bei Kindern die Eltern) müssen wissen, wie das Medikament funktioniert, wie lange, und welche Wirkungen zu erwarten sind, bzw. welche nicht erwartet werden können. Mögliche Nebenwirkungen und Zeichen von Überdosierung müssen ebenso bekannt sein wie die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Was ist wichtig im Umgang mit Erwachsenen? Soll man ADHSler mit besonderer Rücksicht behandeln?
Menschen mit ADHS muss man keineswegs wie rohe Eier behandeln – aber mit normalem, wahrnehmbarem Respekt. Es macht Sinn möglichst klar zu kommunizieren, und etwas mehr als sonst auf allfällige Missverständnisse zu achten.