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SRF DOK Ein Schweizer als Ersatzmutter von Bärenwaisen

Eigentlich eine gute Nachricht: Seit 2012 ist in Russland die Jagd auf Schwarzbären während deren Winterschlaf, die sogannnte Höhlenjagd, verboten. Das neue Gesetz will Gutes bewirken, doch zumindest vorerst können die Folgen für neugeborene Schwarzbären tödlich sein. Wie das?

«DOK» am Donnerstag

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SRF DOK: Reno Sommerhalder, Sie sind Bärenforscher und haben es sich zur Aufgabe gemacht, Bärenwaisen in Sibirien vor Wilderern zu schützen. Seit 2012 dürfen dort Schwarzbären nur noch jeweils bis Ende November gejagt werden. Was heisst das für frischgeborene Schwarzbären?

Reno Sommerhalder: Solche Jagden werden heute einfach versteckt durchgeführt. Dieses Jahr haben wir insgesamt nur sechs verwaiste Jungbären bekommen, wir hätten mindestens acht erwartet. Was bedeutet das? Wir vermuten, dass jene, die immer noch Höhlenjagden machen, die Bärenwaisen nicht mehr mitnehmen, um diese jemandem wie Sergey Kolchin oder mir zu übergeben. Denn dadurch würden sie ja preisgeben, dass sie illegal gejagt haben. Bärenwaisen verenden deshalb nun einfach im Wald.

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Beat Bieri macht seit 2000 «DOK»-Filme für SRF. Er dreht oft selbst als Videojournalist. In seinen Filmen geht er gesellschaftspolitischen, aktuellen Fragen nach und porträtiert Schweizer Identität in all ihren Facetten.

Die Höhlenjagd ist in Sibirien eigentlich eine traditionelle Jagdform. Warum ist sie so problematisch?

Die jungen Schwarzbären werden im Januar oder Februar in der Winterhöhle, einem hohlen Baum, geboren. Der Jäger sucht im März mit Spürhunden diese Höhlen auf, also noch während der Winterruhe der Bären. Der Bär erwacht dann, und bevor er realisiert, was los ist, ist er tot. Zurück bleiben dann die verwaisten Jungen. Die Höhlenjagd auf den Asiatischen Schwarzbär ist meiner Meinung nach vor allem moralisch ein grosses Problem.

Bärenjagden werden in Russland auch als touristisches Angebot offeriert, sie sind offenbar ein Teil des Tourismus hier und verschaffen so in einer armen Gegend Verdienstmöglichkeiten.

Ich kann hier keinen nachhaltigen touristischen Wert erkennen. Denn wenn man einen Bären durch einen Schuss entfernt, durch eine Trophäenjagd, dann ist dieser Bär weg, hat also keinen touristischen Wert mehr – ausser für dieses eine Mal bei der Jagd, wenn man ein paar tausend Euro damit verdienen kann. Ich vertrete die Idee eines sanften Bären-Tourismus. Das heisst, man kommt als Wanderer in diesen Lebensraum und entdeckt dabei Bärenspuren. Vielleicht lässt sich sogar ein Schwarzbär beobachten, wie er oben in einem wilden Kirschbaum Kirschen frisst. Das hinterlässt eine lebenslange Erinnerung. Dieser Bär kann mit einer Kamera tausendmal «geschossen» werden – mit einem Gewehr nur einmal.

Wie beurteilen Sie die Situation der Asiatischen Schwarzbären hier im östlichen Sibirien? Sind die Tiere in ihrer Existenz bedroht?

Reno Sommerhalder montiert eine Wildtierkamera im ussurischen Wald.
Legende: Reno Sommerhalder montiert eine Wildtierkamera im ussurischen Wald. SRF

Gegenwärtig wird hier in Russland darüber diskutiert, ob man den Asiatischen Schwarzbären auf die Rote Liste nehmen will, also auf die Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten. Das bedeutet eindeutig, dass Bedenken hierzu existieren – vor allem deshalb, weil der Lebensraum für diese Bärenart im asiatischen Raum in den letzten 20 Jahren stark geschrumpft ist. Dies in erster Linie wegen des Abholzens der Pinienwälder. Die Situation ist also nicht gut. In unserem Studiengebiet hier in Durmin allerdings erscheint mir die Population des Asiatischen Schwarzbären noch recht gesund zu sein.

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