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SRF DOK Fünf Sterne – Das Firmament von Beppe Grillo

Einer der fünf Sterne im Symbol der Protestbewegung von Beppe Grillo könnte auch ein Schweizer Kreuz sein. Denn aus der Schweiz erhält der Komiker und Gesellschaftskritiker schon vor über 20 Jahren wichtige Impulse und Ideen.

Zur Person

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Der Münchner Philipp Zahn berichtet für SRF regelmässig aus Italien. Er lebt mit seiner Familie seit 22 Jahren in Rom. Davor war er für die Deutsche Welle, N 24, Pro 7 und Sat 1 tätig.

«Energia e Informazione» heisst Grillos Schauspiel, in dem er 1995 den grossen Einfluss der Energiekonzerne in Italien auf die Medien geisselt und anprangert: In Italien werde eine Diskussion über Umwelt und Umweltschutz systematisch unterdrückt. Immer mit auf der Bühne während dieser Tournee ist der Emmentaler Markus Friedli mit seinem gelben wasserstoffbetriebenen Kleinbus.

Mit dieser Show füllt Beppe Grillo damals auch Hallen in der Deutschschweiz und das italienischsprachige Fernsehen der Schweiz zeichnet in Bellinzona eigens eine Sendung auf. Diese wird aber vom staatlichen Fernsehen RAI nie ausgestrahlt. Denn längst ist der Komiker in vielen Machtzirkeln eine «persona non grata». Seine Attacken gehen der italienischen Nomenklatur einfach zu weit.

«Fünf Sterne» mit Ideen aus der Schweiz

Doch Beppe Grillo lässt sich nicht nur in Sachen Umwelt von der Schweiz inspirieren, wenn er die von Klimaforschern an der ETH in Zürich entwickelte 2000-Watt-Gesellschaft propagiert.

Er sympathisiert auch sehr früh mit dem Schweizer Modell der direkten Demokratie: Blogs, Foren und Online-Abstimmungen werden davon inspiriert und bilden 2009 die organisatorische Grundlage für seine Protestbewegung «Fünf Sterne».

Fünf-Sterne-Bürgermeisterin völlig diskreditiert

Acht Jahre später aber ist der frische Glanz der «Fünf Sterne» am Verblassen: Zwar sitzen einige Kandidaten der Protestbewegung nach spektakulären Wahlsiegen in vielen Schlüsselpositionen – als zweitstärkste Gruppierung im Parlament, als Bürgermeisterinnen in Rom und Turin. Doch gerade in der italienischen Hauptstadt zeigt sich, wie sehr Anspruch und Wirklichkeit bei den «Protestlern» mittlerweile auseinanderklaffen: Virginia Raggi, Beppe Grillos Vorzeige-Ikone und Aushängeschild für politischen Erfolg, ist völlig diskreditiert. Ihre Römer Stadtregierung ist heillos zerstritten und nach fast neun Monaten im Amt wie gelähmt: Stadträte müssen wegen einer Reihe von Skandalen zurücktreten. Der ehemalige Personalchef der Bürgermeisterin sitzt seit Dezember wegen Korruptionsvorwürfen in Haft.

Ein politisches System in der Dauerkrise

Beppe Grillo selbst macht bei alldem keine «bella figura». Statt die Vorwürfe aufdecken zu wollen, blockt der politische Übervater ab und hält die Hand schützend über seine Zöglinge. Wieder einmal ruft er «Verschwörung», prangert die «dunklen Kräfte» des italienischen Establishments an, spricht von «Killerjournalismus».

Doch anders als vor 30 Jahren ist der 68-Jährige damit heute nicht mehr so glaubwürdig. So sitzt seine «Fünf-Sterne»-Bewegung dank der politischen Wahlerfolge doch längst viel näher an den Zentren der politischen Macht. Genau dort also, wo sie sich fernhalten wollte.

Laut Umfragen würden heute fast 30 Prozent der Italiener weiterhin die Protestbewegung wählen. Längst aber stehen die «Fünf-Sterne» für keine politische Liebesheirat mehr, sondern dafür, dass es für viele Wähler weiterhin an Alternativen mangelt. Das politische System Italiens kommt nicht aus der Sinnkrise.

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