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SRF DOK Ukraine: Hoffnung trotz Korruption und Krise

In Zeiten der andauernden Krise reist Filmautorin Helen Strehli Pfister in die Ukraine und begleitet drei Protagonisten: einen Kaffeeunternehmer, eine Kinderärztin und einen Erfolgsautor. Sie ergründet deren Hoffnungen und Zweifel. Hier erklärt sie, warum sie diesen Film unbedingt machen wollte.

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Helen Stehli Pfister ist freischaffende Dokumentarfilmerin. Sie war viele Jahre stv. «DOK»-Redaktionsleiterin und hat daneben zahlreiche eigene «DOK»-Filme realisiert. Dabei befasst sie sich gerne mit Menschen in Russland und den radikalen Veränderungen nach dem Ende der Sowjetunion.

Seit den Massendemonstrationen in Kiew und dem Ausbruch des Kriegs im Donbass im Frühling 2014 liessen meine Erinnerungen mich nicht mehr los. Ich lernte die Ukraine 1992 während einer Reportage kennen. Zu Beginn ihrer Unabhängigkeit. Vor über 20 Jahren war die Ukraine ein weisser Fleck auf der Landkarte. Kaum jemand wusste, wo sie liegt.

In Kiew porträtierten wir die Kinderärztin Swetlana Bespalowa. Nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl wurde sie im April 1986 mit Ehemann und Tochter in die ukrainische Hauptstadt evakuiert. Swetlana beeindruckte mich damals tief mit ihrer Offenheit, Lebensfreude und Zuversicht.

Jetzt wollte ich sie wieder in Kiew treffen und von ihr erfahren, wie es ihr und anderen heute geht. In meinen alten Unterlagen fand ich ihre Telefonnummer. Und siehe da: sie nahm ab, erkannte meine Stimme. Mit den ersten Worten war das Eis nach so langer Zeit gebrochen. Sie leitete bis vor kurzem die Spezialabteilung für Tschernobyl-Kinder in einer Kiewer Klinik und ist dort heute für die 2. Generation von Tschernobyl-Kindern zuständig. Wir verabredeten, mit ihr zu filmen. Ich hatte aber noch ein weiteres Anliegen.

30 Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl wollte ich mit Swetlana und Kameramann Laurent Stoop ihre Wohnung in der Sperrzone aufsuchen, wo sie einst jung und glücklich war. Sie erklärte sich sofort dazu bereit. Ich wollte herausfinden, wie Swetlana, die in ihrem Leben so viel Leid ertragen hat, mit der aktuellen Krise in der Ukraine umgeht. Und wie sie ihre Zukunft sieht. Es war das erste Mal nach 30 Jahren, dass sie mit uns in die Geisterstadt Pripjat’, in die Sperrzone neben dem AKW fuhr. Ein Tag, den wir alle drei nie vergessen werden.

«DOK» am Donnerstag

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«Ukraine trotz allem» , Donnerstag 17. März 2016, 20:05 Uhr auf SRF 1.

Nach dem Telefongespräch mit Swetlana traf ich in Bern den Schweizer «Kaffeekönig» Peter Wermuth. Er war kurz zu Besuch in der Schweiz. Auch sein Schicksal beeindruckte mich. Peter Wermuth wuchs mit elf Geschwistern auf einem Bauernhof bei Bern auf. Der gelernte Mechaniker machte ab Anfang der 1990er-Jahre eine steile Karriere in der Ukraine. Von ihm hoffte ich mehr über die Stimmung und die Probleme in seiner neuen Heimat zu erfahren. Peter Wermuth kennt sich aus in der Ukraine. Er weiss, was es heisst, dort ein Unternehmen aufzubauen, oft im Würgegriff der Korruption.

Beim Besuch in der protzigen Residenz des gestürzten ukrainischen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch – heute so etwas wie ein Korruptionsmuseum – verschlägt es auch Peter Wermuth den Atem:

Neben Peter Wermuth und Swetlana Bespalowa traf ich in der Ukraine auch den ukrainischen Erfolgsautor Andrej Kurkow. Seine Romane wurden in über 30 Sprachen übersetzt. Seit Ausbruch des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine im Frühling 2014 schreibt Kurkow keine Literatur mehr. In Artikeln und Essays setzt er sich mit der politischen Situation und der Beziehung zwischen Russland und der Ukraine auseinander.

Denn der bewaffnete Konflikt im Donbass ist auch in Kiew gegenwärtig – wie an diesem Abend in der Wohnung von Kurkow. Geladen sind Diplomaten, Politiker, Freunde, Kiewer Beauties und Verleger. Der Anlass: eine Buchvernissage. Kurkows Freund und Autor Jewgeni Poloschij stellt sein Buch vor. Er lebt im Kriegsgebiet.

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Im Lauf der Dreharbeiten in der Ukraine und nach all den Begegnungen wurde mir klar: eine schnelle Lösung der ukrainischen Krise ist kaum in Sicht. Zu gross sind die Ansprüche Russlands auf die Ukraine. Zu gross ist andererseits der Wunsch einer starken Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung, sich von Russland zu lösen und einen eigenen Weg nach Westen zu gehen.

Und doch hat mich immer wieder überrascht, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer die Hoffnung keineswegs aufgeben. Sie glauben an ihr schönes Land, trotz allem. Aber sie wissen jetzt, dass tiefgreifende Reformen nötig sind. Nur so kann die allgegenwärtige Korruption endlich weggefegt werden. Nur so ist eine Zukunft in Freiheit und Selbstbestimmung möglich.

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