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Wildtiere in Wohnquartieren Wildhüter in der Stadt: Sie entscheiden über Leben und Tod

In der Stadt Zürich gibt es eine wachsende Anzahl und Vielfalt an Wildtieren. Wildhüter Fabian Kern hat den Job, im Spannungsfeld zwischen Mensch und Tier zu vermitteln. Findet sich keine Lösung und richten die Wildtiere zu viel Schaden an, muss er immer wieder auch gegen das Tier entscheiden.

Rund ein Viertel der Stadt Zürich ist Wald; in den städtischen Wäldern und Parkanlagen leben viele Wildtiere. Nebst Rehen, Hirschen und sogar Gämsen gibt es auch Füchse, Dachse, Wildschweine, Reptilien und eine Vielzahl an Vögeln.

Damit das Zusammenleben von Mensch und Tier funktioniert, muss Wildhüter Fabian Kern einerseits die Tiere und ihren Lebensraum schützen und andererseits die Tierpopulation so regeln, dass es für alle genügend Platz und Nahrung gibt.

Die Aufgaben eines Wildhüters

Ein Reh hat einen Bewegungsradius von 300 bis 400 Metern. Wenn die Population zu gross wird, kommt es zu Futterknappheit, Krankheiten und mehr Autounfällen. Im Jahr 2023 wurden im Raum Zürich 59 Tiere Opfer von Verkehrsunfällen. Fabian Kern und sein Team haben den Auftrag, die Wildpopulation zu kontrollieren.

Fabian Kern steht neben einen Brunnen und seine zwei Jagdhunde springen ins Wasser.
Legende: Seine Jagdhunde begleiten Fabian Kern bei seiner Arbeit. SRF

Obwohl die Stadt als Wildschongebiet gekennzeichnet wird, muss gejagt werden. Jedes Jahr müssen die Wildhüter rund 150 Rehe erlegen. Diese Zahl wird jährlich von der Fischerei- und Jagdverwaltung bestimmt.

Wildtierschutz ohne Jagd gibt es nicht

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Wer Wildhüter werden will, muss nicht nur die anspruchsvolle Zürcher Jagdprüfung bestehen, sondern auch die Zürcher Jagdaufsichtsprüfung, die noch umfassender ist. Insgesamt dauert dies mindestens fünf Jahre.

Dazu ist der Besitz eines ausgebildeten und geprüften Jagdhundes Pflicht, da viele verletze oder kranke Tiere nachgesucht werden müssen.

Auch Fabian Kern ist oft frühmorgens im Zürcher Stadtwald auf der Jagd nach Rehen. Eine heikle Aufgabe – wenn er mit Gewehr und totem Tier unterwegs ist, provoziert er viele, welche im Wald schlicht Erholung suchen. 

Mit dem Abschuss ist es aber für Fabian Kern noch nicht erledigt. Der erlegte Rehbock muss laut Lebensmittelgesetz innerhalb von 90 Minuten ausgenommen (in der Fachsprache «aufgebrochen») werden. Wenn ein Tier als Lebensmittel in den Umlauf kommt, ist auch eine Untersuchung aller Organe obligatorisch.

Kontrolle des Fleisches bei Wildtieren

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Jedes Wildtier muss mikrobiologisch untersucht werden, bevor es zum Verzehr freigegeben wird.

Einerseits beobachtet der Wildhüter das Verhalten des Tieres im Wald – wie es sich bewegt und gebärdet. Andererseits untersucht er alle wichtigen Organe auf Parasitenbefall sowie Krankheitszeichen, nachdem er es aufgebrochen (Fachsprache für «ausnehmen») hat.

Wenn alles in Ordnung ist, wird dies mit einer Unterschrift auf dem Begleitschein bestätigt und mit einer Wildmarke gekennzeichnet. Findet der Wildhüter etwas Auffälliges, zieht er einen amtlichen Tierarzt oder eine Tierärztin bei.

Auf dem Areal von «Grün Stadt Zürich» steht Fabian Kern die nötige Infrastruktur zur Verfügung. Auch hier zeigt sich die Vielseitigkeit des Wildhüters: Er untersucht die inneren Organe und gibt das Fleisch des Tieres, in diesem Fall ein Rehbock, zum Verzehr frei.

Fabian Kern hängt den erlegten Rehbock an den Beinen auf, um es ausnehmen zu können.
Legende: Genaue Kontrolle: Fabian Kern untersucht den erlegten Bock. SRF

Er selbst esse fast ausschliesslich Wildfleisch, sagt Fabian Kern. «So weiss ich mit Sicherheit, woher das Fleisch kommt und dass das Tier in seiner natürlichen Umgebung leben konnte.»

Umgang mit Kritik

Fabian Kern sagt, er entscheide ein Stück weit über Leben und Tod. Das bedeute für ihn: viel Verantwortung. Seine Entscheidungen müssten nachvollziehbar und sinnvoll sein. Sowohl für die Menschen als auch für die Tiere.

Trotzdem wird er für seine Handlungen immer wieder angefeindet oder gar bedroht. Kern sagt, er versuche den Kritikerinnen und Kritikern seiner Arbeit mit Respekt zu begegnen. Denselben Respekt, den er auch den Wildtieren entgegenbringe.

Tierschutz in der Stadt

Die Arbeit der Wildhüter in der Stadt Zürich wirft eine komplexe Frage auf: Wie lässt sich die Notwendigkeit der Jagd zur Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts mit dem Tierschutzgedanken in einem städtischen Umfeld vereinbaren?

Ein Profilbild von Fabian Kern. Er schaut durch eine Nachtsichtgerät.
Legende: Wildhüter Fabian Kern hält nach Wildsauen Ausschau. SRF

Fabian Kern und seine Kollegen sind nicht nur Jäger, sondern auch Hüter dieses Gleichgewichts. Ihre Mission ist es, sicherzustellen, dass die Natur in der Stadt respektiert wird und Mensch und Tier vor möglichen Gefahren geschützt werden.

Wildsauen auf Vormarsch

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Im Jahr 1990 werden im Kanton Zürich erstmals Wildsauen nachgewiesen. Das in den letzten Jahren zunehmend wärmere Klima hat das Wachstum der Wildsaupopulation in städtischen Gebieten vorangetrieben. Eine Wildsau bringt pro Jahr bis zu acht Junge zur Welt, die sich selbst bereits im ersten Lebensjahr vermehren können. Das bedeutet eine Wachstumsrate von bis zu 150 Prozent pro Jahr.

Die Wildsauen gelten zudem als besonders intelligent und verursachen teils massive landwirtschaftliche Schäden. Die Schadenssumme im Kanton Zürich liegt durchschnittlich bei 300’000 Franken pro Jahr.

So wird Kern beispielsweise auf eine Baustelle in Zürich Nord gerufen. Die Bauarbeiter haben bei einer Dachsanierung Vogelgezwitscher vernommen und direkt den Wildhüter informiert.

Vögel beim Brüten zu stören, ist in Zürich rechtswidrig. Wer das Gesetz missachtet, muss mit hohen Bussen rechnen. Bei diesem konkreten Einsatz wird schnell klar: In dem zu sanierenden Dachstock brüten Rotschwänze. Das heisst, die Bauarbeiten müssen zum Schutz der Vögel für zwei Wochen unterbrochen werden. Der Bauleiter nimmt diesen Unterbruch erstaunlich gelassen. Das sei nun mal Gesetz und das gelte es zu befolgen.

Dachse im Quartier

Auch beim Irchelpark, einem Naherholungsgebiet und Standort der Universität Zürich, kommen sich Mensch und Tier in die Quere. Ein Anschluss für die Kanalisation soll direkt durch einen grossen, seit rund 30 Jahren bestehenden Dachs- und Fuchsbau gelegt werden.

Wildhüter Fabian Kern muss erneut darüber entscheiden, wo der Lebensraum des Tieres aufhört und derjenige des Menschen beginnt.

Auf den Wildtierkameras bestätigt sich Kerns Vermutung. Im Bau lebt eine ganze Dachsfamilie. Damit ist für ihn klar: Die Dachse müssen geschützt werden. Das heisst, der Bau der Kanalisation muss den Dachsen weichen, auch wenn das womöglich für die Bauherrschaft einen immensen Mehraufwand bedeutet. 

Der Dachsbau

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Fabian Kern kauert neben einem Drahtzaun in einer Wiese. Er kontrolliert die Wildkamera, die am Zaun befestigt ist.
Legende: Dachse im Quartier Fabian Kern kontrolliert die Wildkamera auf Bildmaterial von Dachsen. SRF

Ein Dachsbau kann bis zu vier Metern in die Tiefe gehen und wird oft über mehrere Generationen von Dachsfamilien bewohnt.

Darin schlafen sie tagsüber und während des Winters. Ihr Geschäft verrichten sie ausserhalb. Sie sind nicht nur untereinander gesellig, sie dulden auch Füchse oder Kaninchen als Mitbewohner.

Mit Leidenschaft im Beruf

Für Fabian Kern ist seine Arbeit viel mehr als nur ein Beruf: Er sei täglich mit Leidenschaft unterwegs, es sei ein Traumjob, sagt er. Der ehemalige Polizist ist ein erfahrender Jäger, der sich dem Erhalt der natürlichen Harmonie zwischen Mensch und Tier verschrieben hat.

Ich kann mir keinen besseren Job vorstellen. Einzig das Jagen fällt mir manchmal etwas schwer.
Autor: Fabian Kern Wildhüter

Fabian Kern muss sich als Wildhüter im Rhythmus der Tiere bewegen. Wildsauen jagt er in der Nacht, Rehböcke früh am Morgen.

Oft ist seine Arbeit unsichtbar, bisweilen einsam und doch eminent wichtig für ein friedliches Zusammenleben von Mensch und Tier in der Stadt. «Ich kann mir keinen besseren Job vorstellen. Einzig das Jagen – so komisch das tönt, wenn das ein Jäger sagt – fällt mir manchmal in meinem beruflichen Kontext etwas schwer.», meint Wildhüter Kern.

SRF 2, 22.11.2023, 21:00 Uhr

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