Susanne, du arbeitest seit Herbst 2022 als Auslandschefin für Radio SRF. Dein Team ist auf der ganzen Welt verstreut. Wie hältst du es zusammen?
Susanne Brunner:
In erster Linie, indem ich schnell und unkompliziert erreichbar bin für mein Team, egal wo in der Welt wir uns alle gerade befinden. Eine Herausforderung stellt höchstens die Zeitverschiebung dar. Aber der Kontakt ist dank der heutigen Kommunikationsmittel immer irgendwie möglich. Es macht auch Spass mit einem Team zu arbeiten, in dem alle ihre Arbeit mit viel Engagement und auch Mut machen: viele arbeiten ja auch in Gefahrengebieten, da ist der Austausch erst recht wichtig.
Wie eng bist du mit den Korrespondent:innen im Austausch?
So eng wie möglich. Der Austausch nimmt viel Zeit in Anspruch. Bei 18 Korrespondent:innen und 7 Auslandsredaktor:innen muss ich aber darauf vertrauen, dass sie sich mit Anliegen, Ideen oder bei Problemen bei mir melden. Kommt jemand ratsuchend zu mir, hat das Priorität. Alles andere bleibt dann liegen.
Wir versuchen, Risiken abzuschätzen. Meine Aufgabe ist es, ein Klima zu schaffen, wo man sagt: Keine Geschichte ist ein Leben wert.
Was sind die grössten Herausforderungen für dein Team?
Unsere Welt wird immer vernetzter, immer komplizierter. Es gibt kaum mehr Themen, die nur aus einer Ecke der Welt beleuchtet werden können. Als Team müssen wir uns noch mehr vernetzen: Geschichten aus unterschiedlichen Perspektiven erzählen und einordnen – da sind wir gefordert. Zudem erleben wir hautnah, wie sich Machtblöcke verschieben, Demokratien unter Druck geraten und Lockdowns teilweise genutzt wurden, um Kontrollapparate innerhalb von Staaten zu festigen.
Wie erlebst du das konkret in Ihrem Arbeitsalltag?
Für uns bedeutet das erschwerte Arbeitsbedingungen: Bewilligungsprozesse werden langwieriger, es kommt zu Problemen bei Grenzübertritten oder zu vermehrten Zensurversuchen. Wir warten noch immer auf ein Visum für unseren Russland-Korrespondenten, der im Herbst gestartet ist. SRF berichtet unabhängig und grundsätzlich über alles. Aber SRF-Mitarbeitende müssen sich an die Gesetze ihrer Gastländer halten. Und in einem grossen Teil dieser Länder gibt es keine Medienfreiheit, wie wir sie in der Schweiz kennen. In solchen Situationen sorgt man sich meist nicht um sich selbst, sondern um sein Arbeitsumfeld: Denn wenn man in einem Beitrag zu weit geht, über Themen spricht, über die man nicht sprechen sollte, sind Informant:innen oder Gesprächspartner:innen oft die Ersten, die das zu spüren bekommen.
Helfen dir als Teamleiterin die Erfahrungen, die du selbst als Korrespondentin gemacht hast?
Wenn du in Ländern gearbeitet hast, wo vieles nicht auf Anhieb funktioniert, verändert sich deine Perspektive. Es braucht dann einen Plan B, einen Plan C und ganz viel Gelassenheit. Ich kenne viele Situationen aus eigener Erfahrung und mache ich mir deshalb manchmal Sorgen, wenn jemand in Krisengebieten unterwegs ist.
Gefährliche Einsätze bespreche ich innerhalb des Teams. Wir versuchen, Risiken abzuschätzen. Meine Aufgabe ist es, ein Klima zu schaffen, wo man sagt: Keine Geschichte ist ein Leben wert.
Es wird unklarer, worüber man in welchen Ländern berichten darf – oder eben nicht.
Wie verändern neue technische Möglichkeiten die Arbeit von Korrespondent:innen?
Wenn ich zurückdenke, wie ich früher noch mit Tonbändern gearbeitet und diese von Hand geschnitten habe, muss ich sagen: Vieles ist einfacher geworden. Solange Strom, Internet und Netz gegeben sind, lässt sich fast alles mit einem Handy umsetzen. Doch auf Reportage sollen mittlerweile mehr als nur gute Audioaufnahmen entstehen – nämlich auch Fotos, Videos und Statements. Gleichzeitig möchte ich für ein angenehmes Gesprächsklima sorgen und mich auf das Gegenüber einlassen. Eine weitere Herausforderung sind die Sozialen Medien: Es wird von Korrespondent:innen verlangt, auf Social Media präsent zu sein. Das ist in gewissen Ländern nicht unheikel. Denn in den Sozialen Medien tummeln sich auch Geheimdienste. Die Frage ist dann: Wie exponiere ich mich und wo mache ich mich zur Angriffsfläche?