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Barbara Lüthi Wieso hat der «Club» nicht mehr weibliche Gäste?

Die «Club»-Redaktion hätte gerne mehr Frauen in ihrer Sendung. Nur: So einfach, wie sich das viele vorstellen, ist das nicht. Aus unterschiedlichen Gründen, wie die Sendungsverantwortlichen ausführen. Dennoch werden sie weiterhin wichtige Arbeitsstunden in die Frauensuche investieren.

Barbara Lüthi, Teamleiterin Redaktion «Club».
Legende: Barbara Lüthi, Teamleiterin Redaktion «Club». SRF/Oscar Alessio

Wieso hat der «Club» nicht mehr weibliche Gäste? Ja, wieso eigentlich? Die Frage wird uns öfter gestellt. Ihr gebührt eine ausführliche Antwort.

In Schweizer Medien werden Männer etwa drei Mal so häufig zitiert und interviewt wie Frauen. Das zeigt der Schweizer Zusatzbericht zum Global Media Monitoring Project 2015. Im Gegensatz zu Zeitungs- und Onlineberichten haben Personen beim Fernsehen jedoch nicht nur eine Stimme sondern zusätzlich ein Gesicht. Bei jeder «Club»-Sendung fallen die Geschlechterverhältnisse darum bereits beim Reinzappen auf.

Als Diskussionssendung stehen wir besonders im Schaufenster. Wir wissen um die Verantwortung, die damit einhergeht. Ja, wir hätten gerne mehr Frauen, die bei uns mitdiskutieren. Und das bei jedem Thema. Leider ist es aber kein Klischee sondern eine Tatsache: Geht es um Kinder, Erziehung und Pflege, haben wir eine grössere Auswahl an interessanten, kompetenten Frauen. Reden wir über Wirtschafts- und Finanzthemen, über Politik und Sicherheitsthemen, gestaltet sich die Suche zunehmend schwierig.

Unter den 90 Gästen, die zwischen Anfang Juni und Mitte Oktober 2018 (ohne Literatur- und Medienclub) bei uns in der Sendung waren, waren 23 weiblich. Das entspricht einem Durchschnitt von leicht über 25 Prozent. Die tiefe Zahl liegt im Schweizer Schnitt. Dennoch gibt sie uns zu denken. Nicht zuletzt, weil bei uns auf der Club-Redaktion von den insgesamt 400 Stellenprozenten 390 mit Frauen besetzt sind. Was in der Schweizer Medienlandschaft – der Anteil der Frauen bei Medienschaffenden beträgt 30 Prozent– geradezu exotisch anmutet.

«Aktualisiert mal euer Adressbuch», wird uns auf Blogs zugerufen. Es sei «ernüchternd», ja «skandalös» wie tief der Frauenanteil im «Club»sei, heisst es weiter. Und: Die Frauen seien überall. Dass wir sie nicht finden, sei eine faule Ausrede. Wir müssten weibliche Gäste nur von Beginn an in die Planung einer Sendung einbeziehen, sagen Kritikerinnen, die mit einem Hashtag auf männerdominierte Talkshows aufmerksam machen: #endlichernstmachen

Es ist uns ernst. Sehr ernst. Die Vorwürfe treffen uns. Aber wir sind keine Aktivistinnen, wir sind Journalistinnen. Das heisst: wir spiegeln in unseren Diskussionsrunden die gesellschaftlichen Verhältnisse wider. Frauen, die inzwischen die Hälfte der Studierenden stellen, sind in der Schweiz noch immer nicht in den Positionen, die ihnen zustehen würden. Sie sind unterrepräsentiert in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.

Vielleicht verdeutlichen ein paar Zahlen, warum die «Club»-Plätze nicht einfach mit Frauen zu besetzen sind: Im Nationalrat beträgt der Frauenanteil etwas über 30 Prozent. Im Ständerat sind momentan 15 Prozent der Mitglieder Frauen. An Schweizer Universitäten beträgt der Anteil weiblicher Professoren knapp 22 Prozent, wie aus einem Bericht des Staatssekretariats für Bildung hervorgeht. Noch nie führte eine Frau eine Schweizer Grossbank. Der Frauenanteil in den Geschäftsleitungen der 100 grössten Schweizer Arbeitgeber ist 2018 sogar gesunken, von 8 auf 7 Prozent. Fast 60 Prozent beschäftigen keine einzige Frau in der Geschäftsleitung, sagt der Schilling Report 2018.

Ist das unser Problem? Ja, weil wir den Anspruch haben, die jeweils kompetentesten Personen zu einem Thema einzuladen.

Margrit Stamm war Gast in unserer Sendung zum Thema «Fehlende Frauen an der Spitze: Kann nur noch eine Quote helfen?». Die Professorin für Erziehungswissenschaften forscht unter anderem zur Frage, warum Frauen an der Spitze fehlen. «Selbst ambitionierte Frauen, denen alles offensteht, sind schnell bereit zurückzustecken, wenn sie Kinder haben oder haben wollen», sagt sie. «Frauen werden so sozialisiert. Der Mann dagegen bleibt im Beruf und macht Karriere.» Ein besseres Betreuungsangebot alleine reiche nicht, dass Frauen im Beruf bleiben und eine Karriere anstreben. Es brauche mehr: Frauen in Führungspositionen sollten Vorbild sein und jüngere Frauen unterstützen, damit diese sich solche Positionen zutrauen – und sie auch wollen.

Wollen – ein Stichwort, mit dem wir mitten in unserem Redaktionsalltag sind: Donnerstag 9 Uhr, wir legen das Thema für den kommenden Dienstag fest. Haben wir dieses skizziert, stellt schon bald eine oder einer von uns die Frage: Welche Position können wir mit Frauen besetzen? Die Frage beschäftigt uns meist für den Rest der Woche, oft übers Wochenende. Wir telefonieren, wir reden. Und wir bekommen Absagen.

Frauen sagen uns weitaus öfter ab als Männer. Wir haben drei Gründe festgestellt:

  • Erstens: Frauen, die sich exponieren, interessante Stellungen haben und in einen Fachbereich ganz oben mitmischen, werden von allen Medien – nicht nur von uns – ständig angefragt. Alle wollen sie, alle sagen sich: Fragen wir zuerst die Frau! Wir brauchen mehr Frauen! Diese Frauen können oft nicht all jene Termine wahrnehmen, die ihnen angeboten werden.
  • Zweitens: Frauen zögern. Sie wollen sich nicht exponieren, haben Angst, dass sie unter die Räder kommen. Frauen wollen oft perfekt sein, sonst lassen sie sich gar nicht auf eine Diskussion ein. Das zeigt auch der Hewlett-Packard-Report, wenn es ums Bewerben geht: Männer bewerben sich für eine Stelle, wenn sie 60 Prozent der Anforderungen erfüllen. Frauen wollen 100 Prozent erfüllen, sonst lassen sie die Finger davon. Manche von uns per Mail gestellte Anfrage an Frauen endet deshalb mit dem Satz: «Sagen Sie jetzt nicht gleich Nein, lassen Sie uns telefonieren». Es braucht manchmal einiges, um bestens qualifizierte Frauen zu überzeugen, zu uns in die Sendung zu kommen. Frauen trauen sich leider oft weniger zu als Männer.
  • Drittens: Sie kümmern sich um die Kinder und können nicht weg. Frauen, die wir anfragen, sagen oft, dass sie zuerst die Kinderbetreuung organisieren müssten. Es kommt vor, dass Frauen absagen, weil sie die Kinder nicht alleine lassen können. Ob das nur ein Vorwand ist, wissen wir nicht. Zuweilen schlagen wir sogar vor, sie sollen ihre Kinder doch mitnehmen.

Es kommt selten vor, dass ein Mann findet, dass er sich nicht kompetent genug fühlt. Meistens können sie, da die Kinderbetreuung geregelt ist. Und sie brauchen weniger Zuspruch. Da ist es verlockend, von Anfang an den Mann zu nehmen. Wir widerstehen dieser Verlockung.

Dies bedeutet für uns Extraaufwand. Dann nämlich, wenn wir, wie im Sommer, fast einen ganzen Tag lang explizit nach einer Pflichtverteidigerin suchen – einer Frau also, die es sich gewohnt ist, in Gerichtssälen zu stehen. Wenn wir dann eine Absage nach der anderen erhalten, weil sich diese Frauen einen Aufritt am TV nicht zutrauten oder «nicht die Quotenfrau» sein wollen, ist das enttäuschend.

Ein weiteres Beispiel: Als wir die Sendung zur Frauenquote vorbereiteten, haben wir ein Dutzend Schweizer Geschäftsfrauen, Chefinnen und Verwaltungsrätinnen angefragt. Wir besprechen uns in den Vorbereitungen mit den Fachredaktionen von SRF. Wenn es um Frauen geht, hilft uns auch regelmässig die SRF-Wirtschaftsjournalistin Patrizia Laeri, die über ein breites Netzwerk an Frauen in der Geschäftswelt verfügt und bewusst weibliche Vorbilder sichtbar macht. Auch sie liefert uns Namen – oft vergeblich. Bei der Diskussion über die Frauenquote sassen im Studio schliesslich eine Engländerin und eine Italienerin, die für grosse Firmen in der Schweiz arbeiten. Nur Zufall? Vermutlich nicht. Die Schweizerinnen sagten uns, es sei nicht förderlich für die Karriere, in einer Diskussion über die Frauenquote teilzunehmen. Auch für die Sendung «Finanzkrise – zehn Jahre nach dem Kollaps» war es uns nicht möglich, Frauen aus der Finanzwelt für die Sendung zu gewinnen. Die wenigen, die es gibt, sagten ab.

Am Dienstag ist Sendung, jede Woche. Wir müssen den «Club» mit jenen Leuten machen, die hier sind, die es sich zutrauen und die wollen. Dennoch zählen wir die Arbeitsstunden längst nicht mehr, die wir in die Frauensuche investieren. Denn es ist eine gute und notwendige Investition.

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