Nach einer Knieoperation muss ein Hörer des SRF-Konsumentenmagazins «Espresso» ein Schmerzmittel nehmen: 600 Milligramm des Wirkstoffs Ibuprofen. So weit so schmerzfrei. Doch nun beschäftigt den Mann eine Frage: «Ich möchte gerne wissen, was man mit den Tabletten sonst noch für Stoffe zu sich nimmt.» Denn der Wirkstoff mache ja vermutlich nur einen kleinen Teil eines Medikaments aus.
Hilfs- und Zusatzstoffe überwiegen
Der Mann vermutet richtig: «Moderne Arzneistoffe werden in einer Art und Weise entwickelt, dass immer weniger Wirkstoff notwendig ist», sagt Michael Arand, Professor am Institut für Toxikologie und Pharmakologie der Universität Zürich.
Man könnte ohne Hilfsstoffe gar nicht das Volumen einer Tablette erreichen.
«Das sind mikroskopisch kleine Partikel. Da könnte man ohne Hilfsstoffe gar nicht das Volumen einer Tablette erreichen.»
Das bestätigt auch Enea Martinelli, Chefapotheker der Spitäler FMI (Frutigen, Meiringen, Interlaken) und Vizepräsident des Apothekerinnen- und Apotheker-Verbandes Pharmasuisse: «Damit man beispielsweise fünf Milligramm eines Wirkstoffes überhaupt einnehmen kann, braucht es eine Art Verpackung drum herum.»
Stärke, Schmiermittel, Titandioxid
Zu den häufigsten Zusatzstoffen zählen Klebestoffe in Form von Stärke, beispielsweise Maisstärke. Sie sorgen dafür, dass eine Tablette zusammenhält. «Je nach Wirkstoff braucht es auch einen Film, der den Geschmack korrigiert», sagt Enea Martinelli.
Wenn das Medikament erst im Darm wirken soll, braucht es eine Schutzschicht, damit der Wirkstoff nicht schon im Magen freigesetzt wird.
Das mache man etwa bei sehr bitteren Wirkstoffen. «Und wenn das Medikament erst im Darm wirken soll, braucht es eine Schutzschicht, damit der Wirkstoff nicht schon im Magen freigesetzt wird.»
Michael Arand von der Universität Zürich ergänzt: «Es braucht auch Stoffe, die die industrielle Herstellung von Tabletten erleichtern.» Das seien Schmiermittel wie Magnesiumstearat, die verhindern, dass die Tabletten an den Oberflächen der Maschinen haften bleiben würden. Ein häufiger und umstrittener Zusatzstoff ist der Weissmacher Titandioxid, der unterdessen in Lebensmitteln nicht mehr erlaubt ist. Die Frage, ob der Stoff auch in Medikamenten verboten werden soll, wird in der Schweiz und im Ausland derzeit teils hitzig diskutiert.
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Deklarationspflicht seit drei Jahren – eigentlich
Wer sich die Packungsbeilagen von gängigen Arzneimitteln anschaut, kann schnell auf den Gedanken kommen, dass Zusatzstoffe gar nicht detailliert angegeben werden müssen. Dort findet sich nämlich bei zahlreichen Medikamenten nur der lateinische Hinweis «Excipiens pro compresso obducto». Frei übersetzt heisst das in etwa: Es hat einfach alles drin, was es halt so braucht zur Herstellung.
Erlaubt ist diese Kennzeichnung nur noch bis Ende 2024. Denn eigentlich müssen Hilfs- und Zusatzstoffe bei Medikamenten schon seit dem 1. Januar 2019 deklariert werden. Man spricht von der sogenannten Volldeklaration. Allerdings gilt für bereits vorher bestehende Medikamente eine Übergangsfrist von fünf Jahren.