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So wird die Alterfreigabe im Kino beschlossen
Aus Espresso vom 16.05.2022. Bild: Imago
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«Schlauer i d’Wuche» Wer bestimmt, ab welchem Alter ein Kinofilm freigegeben wird?

Sechs strenge Augen entscheiden über das Zutrittsalter.

«Es beklagen sich etwa gleichviele Leute, dass wir Filme zu früh freigeben, wie sich Leute beklagen, wir seien zu streng.» Das sagt Marc Flückiger, Präsident der Kommission für Jugendschutz im Film. Diese Kommission, bestehend aus 60 Mitgliedern, entscheidet darüber, ab welchem Alter Kinder und Jugendliche in der Schweiz einen Film im Kino anschauen dürfen.

Wir schauen auch, ab welchem Alter ein Film im Ausland freigegeben ist.
Autor: Marc Flückiger Präsident der Kommission für Jugendschutz

Jede Woche erhält die Kommission eine Liste mit Filmen, die in nächster Zeit in den Kinos anlaufen. Dabei schlagen die Verleiher jeweils ein Alter vor, ab welchem der Film freigegeben sein soll. Zudem erhält die Kommission Trailer-Material und weitere Informationen zum Film. «Wir schauen auch, ab welchem Alter ein Film im Ausland freigegeben ist.»

Wenn mindestens vier Mitglieder der Kommission am vorgeschlagenen Zutrittsalter zweifeln, wird ein Film visioniert. Drei Mitglieder der Kommission schauen den Film dann gemeinsam an. Und zwar jeweils eine Vertreterin oder ein Vertreter der Filmbranche und der Behörden sowie eine externe, unabhängige Fachperson. Die Kommission besteht zu gleichen Teilen aus Mitgliedern dieser drei Bereiche.

Experten gehen ins Kino

«Wenn immer möglich findet eine Visionierung im Kino statt», so Marc Flückiger. Dies, weil Filme im Kino eine andere Wirkung haben als zu Hause. Während der Pandemie sei dies teilweise aber nicht möglich gewesen. Da habe man die Filme oft streamen und daheim schauen müssen.

Unsere Arbeit kann aber in keiner Art und Weise die Verantwortung der Eltern ersetzen.
Autor: Marc Flückiger Präsident der Kommission für Jugendschutz

Drei Personen schauen den Film also in voller Länge gemeinsam im Kino an. «Sie entscheiden dann direkt vor Ort, ab wann ein Film freigegeben wird.» Unterschieden wird dabei zwischen dem Zutrittsalter und dem empfohlenen Alter. Gesetzlich bindend ist das Zutrittsalter: Wer jünger ist, darf einen Film nicht im Kino anschauen – ausser beispielsweise in Begleitung der Eltern, dann darf das Zutrittsalter um zwei Jahre unterschritten werden. Das Zutrittsalter stellt sicher, dass Kinder in diesem Alter durch den Film nicht in ihrer Entwicklung beeinträchtig werden. Das empfohlene Alter ist meist höher angesetzt. Marc Flückiger betont: «Unsere Arbeit kann aber in keiner Art und Weise die Verantwortung der Eltern ersetzen.»

Nicht nur Gewalt und Sex entscheidend

Die Kommissionsmitglieder entscheiden anhand eines ganzen Kriterienkatalogs über die Altersfreigabe eines Films. Gewalttaten und sexuelle Handlungen beziehungsweise Nacktheit sind dabei zwar die zwei wichtigsten Kriterien, «weil sie auch gesellschaftlich am wichtigsten sind und am kontroversesten diskutiert werden», sagt Marc Flückiger.

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Es gehe aber auch um die Stimmung: «Ist alles schwarz und düster und die Musik bedrohlich, kann das extrem beängstigend sein für ein Kind.» Man spreche hier von «Angst und Schrecken». Weitere wichtige Kriterien seien eine nicht jugendfreie Sprache, die Vorbildwirkung eines Films oder das durch den Film vermittelte Frauenbild. Aber auch die Darstellung beispielsweise von Sexismus und Rassismus könne die Altersfreigabe beeinflussen.

Und schliesslich gibt es Kriterien, die nicht direkt mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen im Zusammenhang stehen. Als Beispiel nennt Marc Flückiger einen Dokumentarfilm über Vögel: «Hier liegt das Zutrittsalter mutmasslich bei null Jahren.» Das empfohlene Alter sei aber sicher deutlich höher angesetzt, weil jüngere Kinder sich schlicht langweilen würden.

Kommen bald einheitliche Regeln?

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Im Widerspruch zu den Altersfreigaben im Kino steht die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche heute mehr oder weniger ungehindert und jederzeit auf nicht jugendfreie Inhalte zugreifen können. «Die Arbeit der Kommission für Jugendschutz im Film ist daher eigentlich nicht mehr zeitgemäss, weil sie auf Kinofilme fokussiert», sagt deren Präsident Marc Flückiger. Aus diesem Grund steht wohl bald eine Gesetzesrevision an: Derzeit diskutiert das Parlament verbindliche Jugendschutzregeln für Filme und Games. Insbesondere geht es um Darstellungen von Gewalt und Sexualität sowie um bedrohliche Szenen. Es sollen schweizweit einheitliche Regeln gelten für Kinos, Detail- und Online-Händler sowie Streaming-Dienste. Videoplattformen wie Youtube würden zu einem System zur Altersüberprüfung verpflichtet. Der Nationalrat hat dem Gesetz zugestimmt. Als nächstes berät der Ständerat, wobei die vorberatende Kommission der Vorlage zugestimmt hat.

Espresso, 16.05.22, 08:13 Uhr

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