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Aggressive Telefonverkäufe Senioren im Visier: Telefonabzocke mit «Demenz-Gummibärchen»

Ältere Menschen werden von Firmen wie Molita und Lytiia mit teuren Produkten überrumpelt und werden sie kaum wieder los.

Was ist passiert? Unter dem Namen Molita, Lytiia, Nofibee oder Oshi rufen Firmen gezielt ältere Menschen an und versuchen, ihnen angeblich gesundheitsfördernde Produkte anzudrehen. Die Anrufer sind gewieft und aggressiv: So liess sich eine 80-jährige Grossmutter drei Fläschchen Anti-Demenz- und Immun-Gummibärchen für 385 Franken aufschwatzen. Einer 87-jährigen Aargauerin wurden mehrere Ampullen mit Gelée Royale – dem Futtersaft für Bienenköniginnen – verkauft, zum Preis von 280 Franken. Diese Substanz wird als Anti-Aging-Mittel propagiert. Und bei einer einzigen Lieferung bleibt es nicht.

Wie funktioniert die Masche? Viele ältere Menschen lassen sich am Telefon überrumpeln. Angeboten werden auch Faltencremes mit Schlangengift oder Schneckenschleim. Einmal bestellt, kommen weitere Lieferungen – ohne Zustimmung. Erst mit rechtlichen Drohungen erreichte ein Angehöriger der 87-jährigen Aargauerin, dass er eine Rücksendeetikette für die kostenlose Retournierung der Ware erhielt. Eine andere Angehörige bemerkte die fragwürdige Masche erst, als sie die Finanzen ihres dementen Vaters übernahm. Der 87-Jährige erhielt mehr als ein Jahr lang regelmässig unbestellte Lieferungen – und bezahlte jedes Mal.

«Espresso» ist an Ihrer Meinung interessiert

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Die Spuren führen ins Waadtland: Hinter den Marken Molita und Lytiia stecken die im Handelsregister eingetragenen GmbHs Valdonatura und Vitalpina. Recherchen des SRF-Konsumentenmagazins «Espresso» zeigen: All diese Firmen lassen sich auf dieselben Verantwortlichen zurückführen – mit Sitz in Crissier im Kanton Waadt.

Was sagen die Verantwortlichen? Gar nichts. Trotz mehrfacher E-Mail-Anfragen blieb eine Antwort aus. Immerhin: Auf der Kundenhotline meldete sich ein scheinbar ahnungsloser Mann, der behauptete, lediglich für Beschwerden zuständig zu sein. Seine Auftraggeber kenne er nicht und könne deshalb auch keine andere Telefonnummer herausgeben.   

Telefonverkäufe: Das sind Ihre Rechte

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Was gilt bei Telefonverkäufen? SRF-Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner erklärt: Wer am Telefon oder an der Haustür etwas kauft, kann innerhalb 14 Tage vom Vertrag zurückzutreten, sofern der Kaufpreis über 100 Franken liegt. Der Widerruf sollte schriftlich, idealerweise per Brief erfolgen.  

Was gilt bei mündlichen Verträgen? Liegt kein schriftlicher Vertrag vor, kann man die Firma auffordern, zu belegen, was genau vereinbart wurde – etwa durch eine Tonbandaufnahme des Verkaufsgesprächs. Wenn eine Firma behauptet, es sei ein Abo oder eine wiederkehrende Lieferung vereinbart worden, muss sie das beweisen.

Was, wenn Angehörige erst Monate oder Jahre später merken, was läuft? Die Verkäuferin oder der Verkäufer hat bei Telefon- oder Haustürverkäufen die Pflicht, die Kundin oder den Kunden über das Widerrufsrecht zu informieren – und muss das auch nachweisen können.

Wenn dieser Nachweis fehlt, beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist gar nicht erst zu laufen. In solchen Fällen kann ein Widerruf theoretisch auch Monate oder sogar Jahre später noch möglich sein.

Espresso, 28.7.2025, 8:10 Uhr

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