Eine 4-köpfige Familie wollte sich einen Traum erfüllen und mit der schwerbehinderten Tochter (7) ein paar Wochen ans Meer in Thailand. Viele Monate vor dem Abflug kümmerte sich der Vater um die angemessene Sitzmöglichkeit für seine Tochter. Sie hat unter anderem eine Cerebral-Parese und ist darauf angewiesen, im Liegen zu schlafen. Bei Schlafentzug drohen epileptische Anfälle.
Bei der Fluggesellschaft Swiss lief im Vorfeld alles schief, es gab widersprüchliche Aussagen bezüglich Liegemöglichkeit für das Kind. Und es kam, wie es kommen musste: Der Hinflug wurde zum Albtraum.
Rückflug in der Business-Class – Entschuldigung der Swiss
Nach der Intervention von «Espresso» erhielten das Mädchen und ein Elternteil für den Rückflug ein Upgrade in die Business-Class. Mutter und Bruder reisten in der Premium Economy-Class. Dazu bot Swiss der Familie einen Voucher in der Höhe des Betrags für den Hinflug an. Die Heimreise verlief nach Angaben des Vaters problemlos, das Mädchen konnte schlafen und hatte entsprechend auch keine epileptischen Anfälle.
Pflicht zum Transport ohne Beeinträchtigung der Gesundheit
Caroline Hess-Klein ist Juristin und Leiterin der Abteilung Gleichstellung beim Dachverband der Behindertenorganisationen Inclusion Handicap. Sie ist überzeugt, dass in diesem Fall die Fluggesellschaft verpflichtet war, das Kind in der Business-Class zu transportieren – ohne Aufpreis: «Das Behindertengleichstellungsgesetz sieht vor, dass die Verkehrsunternehmungen Menschen mit Behinderungen den Zugang zum öffentlichen Verkehr ermöglichen müssen – und zwar ohne Benachteiligung.»
Das Behindertengleichstellungsgesetz sieht vor, dass die Verkehrsunternehmungen Menschen mit Behinderungen den Zugang zum öffentlichen Verkehr ermöglichen müssen – und zwar ohne Benachteiligung.
Für die Familie hiesse das: Die Swiss müsste sicherstellen, dass das betroffene Kind eine Flugreise antreten kann, ohne dass es dadurch benachteiligt, also in ihrer Gesundheit beeinträchtigt werde. Ein Transportunternehmen wäre nur dann von dieser Verpflichtung befreit, wenn es wirtschaftlich nicht zumutbar sei. Bei etwa zwölf vergleichbaren Fällen pro Jahr, wie die «Espresso»-Redaktion nach einem Gespräch mit Swiss annimmt, dürften die Kosten nicht ins Gewicht fallen.
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt hält ausdrücklich fest, dass Fluggesellschaften nicht dazu verpflichtet sind, einem betroffenen Fluggast einen Sitzplatz nach seinen Wünschen anzubieten.
Swiss wehrt sich: Sitzplatz nach Wunsch gibt es nicht!
Wie Swiss-Mediensprecher Michael Pelzer ausführt, sehe das Behindertengleichstellungsgesetz lediglich vor, dass niemandem wegen einer Einschränkung eine Beförderung verweigert werden dürfe. Und weiter beruft er sich auf eine EU-Verordnung, welche die Schweiz übernommen hat: «Diese regelt die konkreten Pflichten der Fluggesellschaften bei der Beförderung von Fluggästen mit eingeschränkter Mobilität und Behinderungen. Zu dieser Verordnung hält das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) ausdrücklich fest, dass Fluggesellschaften nicht dazu verpflichtet sind, einem betroffenen Fluggast einen Sitzplatz nach seinen Wünschen anzubieten.»
Caroline Hess-Klein von Inclusion Handicap kontert: «Es geht nicht darum, den «Flugplatz seiner Wünsche zu erhalten». Es gehe vielmehr darum, einen Platz zu erhalten, der dem Mädchen mit Behinderung überhaupt die Reise ermöglicht, ohne Gefährdung der Gesundheit.
Abschliessend müsste wohl ein Gericht über die Auslegung des Gesetzes entscheiden. Caroline Hess-Klein wird sich nun bei der Swiss und beim Bazl melden, um den Fall zu diskutieren und mögliche Konsequenzen für zukünftige Fälle zu ziehen. Das Bazl ist für die Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes im Flugverkehr zuständig.