Eine Krankenkasse verschenkt auf dem Bahnhofplatz in Baden Guetzli: «Jetzt Prämien vergleichen», so die Botschaft des süssen Gebäcks. So weit so normal zu dieser Jahreszeit – die Krankenkassen sind auf Kundenfang. Vorne auf dem Guetzli klebt eine Art Zuckerpapier mit einem aufgedruckten QR-Code. Wer diesen scannt, gelangt auf die Internetseite der Krankenkasse.
Warnhinweis irritiert
Ein Papi aus der Region hat sich die Zutatenliste dieses Geschenks angeschaut. Und dabei ist ihm der Appetit ziemlich vergangen: «Kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinflussen», heisst es dort.
Der Warnhinweis gehört zu drei Lebensmittelfarben, die in dem Guetzli enthalten sind: Azorubin, Gelborange S und Tartrazin – diese gehören zu den sogenannten Azofarbstoffen. Der Vater schaut im Internet nach, was es damit auf sich hat und stellt fest: Diese Stoffe sind zwar zugelassen, aber zumindest umstritten. Und dass ausgerechnet eine Krankenkasse solche Werbeprodukte abgibt, «finde ich schon schräg und ziemlich daneben», schreibt er dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».
«Verschwindend kleine Menge»
Bei der Krankenkasse handelt es sich um Aquilana aus Baden. Auf Anfrage heisst es dort, man bedaure, dass das Werbegeschenk Verunsicherung ausgelöst habe. Die betroffenen Farbstoffe seien nur in der Druckfarbe des aufgedruckten QR-Codes enthalten.
Es handle sich also um eine «verschwindend kleine Menge». Zudem gebe es «grundsätzlich keine belastbaren, wissenschaftlich ermittelten Daten», die sich «auf wirkliche Gesundheitsrisiken beziehen». Gleichzeitig weist Aquilana darauf hin, dass künstliche Farbstoffe «natürlich auch durch natürliche ersetzt werden dürften – wie zum Beispiel Frucht- und Pflanzenextrakte».
Tatsächlich ist unklar, wie gross der Einfluss von Azofarbstoffen auf die Gesundheit von Kindern ist. Eine Studie aus dem Jahr 2007 stellte einen gewissen Zusammenhang her. An dieser Studie gab es damals jedoch wegen methodischer Mängel Zweifel. Das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen bezeichnet die Belege für einen solchen Effekt als «begrenzt». Und es seien dem BLV auch keine weiterführenden Studien bekannt.
EU verlangt den Warnhinweis
Bemerkenswert ist: Bei Produkten, die in der Schweiz hergestellt werden, ist kein Warnhinweis nötig. Die EU hatte sich allerdings nach der Studie von 2007 dazu entschieden, dass Lebensmittel mit Azofarbstoffen entsprechend gekennzeichnet werden müssen. Das erklärt, weshalb auf dem Aquilana-Guetzli der Warnhinweis aufgedruckt ist: Es wurde in Deutschland gebacken.
Die Krankenkasse nimmt die Verunsicherung des «Espresso»-Hörers auf jeden Fall ernst. Sie will künftig «genauer auf die Deklaration von Inhaltsstoffen bei Lebensmitteln» achten. Und an allfälligen weiteren Werbeaktionen werde das Guetzli nicht mehr verteilt.