Das haben Betroffene erlebt: Der «Filz-Sepp», ein scheinbar sympathischer Geselle aus dem Südtirol mit Filzhut, kommt in den Laden und bietet Dekoartikel an. Kleine Herzen, Sterne etc. – angeblich aus Schafwolle und aus eigener Manufaktur. Seine Firmen: Erst «Lana Green», nun «Lammfromm». Das Personal schaut sich die Muster an, bestellt jeweils ein paar Exemplare in kleinen Stückzahlen. Der Händler legt den Leuten einen kleinen, vollgekritzelten Lieferschein vor, den sie unterschreiben. Später folgt das böse Erwachen: Es treffen riesige Pakete ein und Rechnungen über teils mehrere tausend Euro.
So funktioniert die Masche: Mutmasslich trägt der Händler im Laden viel höhere Stückzahlen in die Bestellung ein als abgemacht. Da und dort eine Zahl dazu oder eine Null hintendran. «Wir sind davon ausgegangen, dass er das aufschreibt, was wir sagen», berichtet die Inhaberin eines Blumenladens im Kanton St. Gallen im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Dass sie den Lieferschein vor dem Unterschreiben nicht genau angeschaut habe, «das war natürlich ein Riesenfehler». Einen Beweis dafür, dass der «Filz-Sepp» die Bestellung heimlich nach oben frisiert hat, haben die Betroffenen in der Regel nicht. Aber: «Espresso» liegen mehrere Fälle, Rechnungen und Lieferscheine vor und die Schilderungen gleichen sich.
Das passiert, wenn man sich wehrt: Der vormals sympathische Händler zeige nun ein anderes Gesicht, schildern die Betroffenen. Er fordere teils aggressiv das Geld ein und drohe mit rechtlichen Schritten – schliesslich hätten sie die Bestellung unterschrieben. «Ich habe die Rechnung deshalb bezahlt und hoffe, dass ich nie mehr etwas von ihm höre», sagt eine Ladeninhaberin aus dem Kanton Graubünden. Zurück bleibt bei den meisten Betroffenen ein Berg von Dekoartikeln, die – wie sich im Nachhinein herausstellte – offensichtlich auch keine edlen Wollfabrikate sind. «Das ist Baumwolle und Polyester», sagt die Inhaberin des St. Galler Blumenladens.
Kein unbeschriebenes Blatt: Der Filz-Sepp – er heisst bürgerlich Boris R. – hat es faustdick hinter den Ohren. Er wurde in Deutschland schon mehrfach verurteilt, unter anderem wegen Betrugs und Steuerhinterziehung, er sass auch schon im Gefängnis. Seit über zehn Jahren ist er überdies in Deutschland mit einem Gewerbeverbot belegt. «Espresso» liegen mehrere Urteile der deutschen Justiz vor. Sie hat Boris R. auch immer wieder wegen seiner Verkaufsmethoden gerüffelt. Auch deutsche TV-Stationen wie etwa der SWR haben schon über ihn berichtet.
Wie kann man sich wehren? SRF-Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner hat sich Beispiele von Lieferscheinen des «Filz-Sepp» angeschaut. Sie kommt zum Schluss, dass diese Formulare unklar ausgefüllt sind. Es gehe nicht eindeutig daraus hervor, wie viel effektiv bestellt worden sei und es fehle jeweils auch der Gesamtpreis, sagt die Rechtsexpertin: «Wer das unterschreibt, sieht unter Umständen nicht, was er wirklich bestellt hat. Einen solchen Vertrag kann man wegen Irrtums anfechten.»
Unterstützung holen: Die SRF-Rechtsexpertin empfiehlt, dass man sich vor einem solchen Schritt beraten lässt und die Rechtsschutzversicherung ins Boot holt, zum Beispiel. Denn ein solcher Rechtsstreit kann zeitaufwändig und teuer werden. Nicht zuletzt, weil dieser Filzwaren-Verkäufer im Ausland lebt. Bei hohen Geldbeträgen könnte es sich aber unter Umständen lohnen.