Beim Hantieren mit dem Spitalbett im Unterricht passiert einer angehenden Pflegefachfrau ein Missgeschick: Das Bett touchiert beim Hochfahren einen Wandbildschirm. Dieser fällt zu Boden und ist kaputt. Kostenpunkt: rund 12'000 Franken.
Die Ausbildung macht die Frau am Berufs- und Weiterbildungszentrum für Gesundheits- und Sozialberufe des Kantons St. Gallen (BZGS). Der obligatorische Kurs fand in einem Raum des Kantonsspitals St. Gallen statt.
Die Schule stellte sich daraufhin auf den Standpunkt, dass Schülerinnen und Schüler für Schäden haften, die sie verursachen. Dies wird der Schülerin mit Verweis auf das Schulreglement so mitgeteilt. Sie soll den Schaden ihrer Haftpflichtversicherung melden.
Haftpflichtversicherung übernimmt – vorerst
Die Haftpflichtversicherung prüft den Fall und übernimmt den Schaden. Mit einem Selbstbehalt für die Schülerin von 200 Franken. Später sollte sich allerdings herausstellen, dass dieser Entscheid falsch war.
Auf Anfrage von «Espresso» heisst es von der Versicherung, es liege eine Fehleinschätzung vor. Da der Vorfall während der beruflichen Tätigkeit der Versicherten passiert sei, sei ein solcher Schaden ausgeschlossen. Die Versicherung werde aber für den Fehlentscheid geradestehen und im Hintergrund den Fall noch einmal aufrollen – sicher nicht zuungunsten der Versicherten. Der Selbstbehalt werde zurückbezahlt.
Das BZGS trifft keinerlei Rechtspflicht, für irgendeinen Teil des Schadens einzustehen.
Den Selbstbehalt hatte das BZGS aus Kulanz übernommen. In der Sache stellt sich die Schule aber auf den Standpunkt, dass die Schülerin für den Schaden hafte. Das BZGS treffe «keinerlei Rechtspflicht, für irgendeinen Teil des Schadens aufzukommen» (ausführliche Stellungnahme: Siehe Box).
Stellungnahme des BZGS
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(Stellungnahme im Wortlaut mit sprachlichen Anpassungen durch die Redaktion, die der Verständlichkeit dienen.)
Geschädigt wurde offenbar das Kantonsspital St. Gallen KSSG (Beschädigung dessen Eigentums). Dass das KSSG grundsätzlich einen Schaden hatte (in Form der Beschädigung des Monitors), ist offensichtlich unbestritten. Nun stellt sich die Frage, gegen wen das Spital einen Haftungsanspruch erheben könnte. Von vornherein nicht einschlägig sind die Reglemente des BZGS, da letzteres gar nicht geschädigt wurde.
Primär im Fokus steht die HF-Studierende als Verursacherin (Sachverhalt ist indes unklar). Das KSSG hat ihr gegenüber grundsätzlich einen direkten Anspruch auf Schadenersatz aus Art. 41 ff. OR, falls der Studierenden ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann (Absicht oder Fahrlässigkeit; hier offenbar beides bestritten, wobei zu sagen ist, dass auch leichte Fahrlässigkeit für eine Haftung nach Art. 41 OR genügt). Die Hürde beim Verschulden ist daher nicht wahnsinnig hoch. Unachtsamkeiten genügen. Insbesondere nicht zur Anwendung kommt unseres Erachtens das Staatshaftungsrecht. Zum Vergleich: Hätte beispielsweise eine Lehrperson den Schaden am Monitor während des Unterrichtens verursacht, dann könnte das KSSG nicht direkt auf die Lehrperson zugehen – es haftet im Kanton St. Gallen ausschliesslich das Gemeinwesen bzw. dessen Anstalten; der Geschädigte kann den Staatsangestellten nicht unmittelbar belangen (sog. primäres Staatshaftungsrecht, vgl. Art. 1 des St. Galler Verantwortlichkeitsgesetzes, sGS 161.1). Auf die Angestellten kann dann aber im Innenverhältnis (Arbeitgeber/Arbeitnehmer) Rückgriff genommen werden.
Studierende der Berufsschulen haben im Unterschied zu den Mitarbeitenden der staatlichen Berufsschulen kein solches Haftungsprivileg, d.h. sie sind für ihr Verhalten dem Geschädigten gegenüber grundsätzlich direkt verantwortlich.
Von daher stellt sich nur noch die Frage, ob es noch irgendeinen anderen Kausalhaftungstatbestand gibt, der vorsieht, dass das BZGS (neben der Studierenden) für den Schaden solidarisch mithaften würde. Allerdings sehen wir keine solche Rechtsgrundlage; eine Geschäftsherrenhaftung nach Art. 55 OR beispielsweise liegt kaum vor und wäre sehr weit her geholt. Das BZGS ist weder der Geschäftsherr der Studierenden noch ist die Studierende die Gehilfin des BZGS.
Fazit: Damit bleibt es dabei, dass es letztlich eine rechtliche Angelegenheit zwischen dem KSSG und der Studierenden ist. Daher ist auch der Hinweis von Prof. Fellmann auf Art. 44 OR (Gründe zur Herabsetzung der Haftpflicht) unbehelflich – Geschädigte war nicht das BZGS, sondern das KSSG. Ob es gegenüber dem KSSG einen Herabsetzungsgrund gab (sog. Selbstverschulden oder weitere Umstände in der Verantwortung des Geschädigten), kann nicht beurteilt werden bzw. hätte zwischen der Lernenden / der Versicherung auf der einen sowie dem KSSG auf der anderen Seite geklärt werden müssen. Das BZGS trifft daher auch mit Blick auf Art. 44 OR keinerlei Rechtspflicht, für irgendeinen Teil des Schadens einzustehen (was es aber kulanterweise in Form des Selbstbehalts getan hat). Selbstverständlich gelten solche Herabsetzungsgründe auch, sollte in Zukunft einmal das BZGS von einer Studierenden geschädigt werden (die Bestimmungen des OR kommen mindestens subsidiär zur Anwendung). Das Reglement des BZGS braucht deswegen nicht angepasst zu werden. Ob Herabsetzungsgründe vorliegen, muss dannzumal aufgrund sämtlicher Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.
Für die Schule handelt es sich um eine Angelegenheit zwischen dem Kantonsspital St. Gallen und der Schülerin – dies, weil der Kurs im Spital stattgefunden hat. Ansprechpartnerin für die Schülerin war allerdings immer die Schule selbst, welche mehrmals auf ihr Schulreglement verwiesen hatte.
Experte sieht Schule in der Pflicht
Walter Fellmann, Professor für Privatrecht an der Uni Luzern und Haftpflichtrechts-Experte, ordnet den Fall ein. Zwar könne eine Schule ihre Studierenden grundsätzlich haftbar machen. Aber: «In welchem Mass ein Schüler für den Schaden haftet, ist offen.»
Nach meiner Auffassung liegt das im Risikobereich der Schule, und nicht im Risikobereich des Schülers.
Im konkreten Fall würde ein Gericht die Frau wohl entlasten, so Fellmann, weil Artikel 44 des Obligationenrechts beizuziehen sei. Dieser Artikel anerkennt unter Umständen einen Risikobereich des Geschädigten: «Wenn ich im Rahmen meiner Ausbildung mit einer Situation konfrontiert werde, in der ich als Lernender mit einer ungeschickten Handlung einen Bildschirm von 12'000 Franken zerstöre, dann liegt das nach meiner Auffassung im Risikobereich der Schule, und nicht im Risikobereich des Schülers.» Es sei nicht relevant, dass der Kurs in externen Schulungsräumen stattgefunden habe.
Das BZGS weist darauf hin, dass es für Härtefälle einen entsprechenden Fonds habe, welcher den Studierenden unter die Arme greife. Und zur Entlastung des BZGS ist anzumerken, dass im Kanton St. Gallen auch andere Institutionen, etwa die Universität St. Gallen, die Haftungsfrage für Studierende gleich halten. In den Kantonen Basel-Stadt und Bern allerdings sind angehende Pflegefachpersonen bei unabsichtlichen, nicht grobfahrlässigen Missgeschicken geschützt. Dort haften die Gesundheitszentren mit entsprechenden Versicherungen.
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