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Höhere Kühlschranktemperatur «Ein verdorbenes Rindsplätzli macht Stromspar-Effekt zunichte»

Lediglich 50 Gramm verdorbenes Rindfleisch mehr pro Jahr machen den Spareffekt bei der Kühlschranktemperatur zunichte.

Strom sparen überall dort, wo es schmerzlos möglich ist, ist das Gebot der Stunde. Der Bundesrat hat Ende August unter anderem empfohlen, die Kühlschranktemperatur von 5 auf 7 Grad zu erhöhen. An diesem Stromsparvorschlag gab es im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» Kritik, auch vom Detailhändler Coop.

Ein Rindsplätzli reicht, damit der Effekt verpufft 

«Espresso» hat von Claudio Beretta, Experte für nachhaltige Ernährung an der ZHAW sowie Präsident von Foodwaste.ch, berechnen lassen, wie viel zusätzlich verdorbene Lebensmittel den Stromspar-Effekt verpuffen lassen.  

Beretta kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: «Bei einem modernen, effizienten Kühlschrank würde die Stromeinsparung bereits zunichtegemacht, wenn eine 50-Gramm-Packung Rindfleisch zusätzlich verdirbt – pro Jahr.» Das entspricht einem Prozent der rund 5 Kilo Fleisch, die ein durchschnittlicher Haushalt pro Jahr wegwirft. «Bei einem ineffizienten, grossen Kühlschrank sind es etwa 300 Gramm Rindfleisch.» Bei pflanzlichen Lebensmitteln, zum Beispiel bei Erdbeeren, seien es rund 1 bis 5 Kilo, die den Effekt der Stromeinsparung aufheben würden, so Beretta. 

Lebensmittel wegwerfen ist auch Energieverschwendung. Und leider eine, die einschenkt.
Autor: Claudio Beretta Experte für nachhaltige Ernährung

Foodwaste hat grossen Effekt auf Umweltbelastung  

Der Grund ist: Auch die Herstellung von Lebensmitteln, die Kühlung, der Transport etc. braucht viel Energie. Lebensmittel fortwerfen ist auch Energieverschwendung. Und leider eine, die einschenke, sagt der Experte von der ZHAW.  

Er macht ein Beispiel: Wer im Haushalt Foodwaste vermeidet, spart soviel an Umweltbelastung ein wie 1100 Autokilometer pro Jahr. Das Sparpotenzial durch die Erhöhung der Temperatur um 2 Grad entspricht je nach Kühlschrankeffizienz lediglich 40 bis 240 Autokilometern.  

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Zuerst Lebensmittelverschwendung vermeiden 

Für den Umweltwissenschaftler ist deshalb die erste Empfehlung: Foodwaste vermeiden. Erst wenn ein Haushalt dieses Ziel erreicht habe, könne es Sinn machen, die Kühlschranktemperatur zu erhöhen.  

Mit seinen Erkenntnissen und Inputs zum Stromsparen beim Kühlschrank ist Beretta schon Ende August auf das Bundesamt für Energie (BFE) zugegangen. Die dürre Antwort kam einen Monat später: Man werde seine Inputs an die zuständigen Personen weiterleiten.  

Ob in der Praxis effektiv signifikant mehr Foodwaste anfällt, einzig weil die Kühlschranktemperatur erhöht wird, wurde gemäss unserem Wissensstand bisher nicht bestätigt.
Autor: Bundesamt für Energie

Bund sagt: Es fehlt der Beweis 

Das BFE sagt in einer Stellungnahme: Die Kühlschranktemperatur höher einzustellen sei aus ihrer Sicht eine effiziente Massnahme, um Strom zu sparen. «Ob in der Praxis effektiv signifikant mehr Foodwaste anfällt, einzig, weil die Kühlschranktemperatur erhöht wird, wurde gemäss unserem Wissensstand bisher nicht bestätigt. Sollte sich diese Hypothese aufgrund von wissenschaftlicher Evidenz bestätigen, würden wir den Energiespartipp ändern.» 

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) ist überzeugt: «Mit einer guten Einkaufsplanung und einem guten Kühlschrankmanagement lässt sich die Kühlschranktemperatur erhöhen, ohne dass wesentlich mehr Lebensmittelverluste anfallen.» Sein Tipp: Man solle heiklere Lebensmittel wie Fleisch, Fisch oder Rohmilch-Weichkäse eher unten im Kühlschrank lagern, weil es da kälter ist.  

Espresso, 25.10.22, 08:13 Uhr

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