Ein «Espresso»-Hörer staunte nicht schlecht, als er auf Ricardo verschiedene Angebote für Gemeinde-Tageskarten entdeckte. Er fragte sich: «Ist das erlaubt?» Nein, ist es nicht. Denn auf den Tickets steht ganz klar: «Kein Zwischenhandel».
Dieser Schwarzmarkt widerspricht ganz klar den Tarifbestimmungen.
Dass Tageskarten Gemeinde im Internet versteigert werden, ist auch den Verantwortlichen vom Gemeinde- und Städteverband nicht verborgen geblieben. Claudia Kratochvil, Vizedirektorin vom Gemeindeverband, sagt: «Wir haben von solchen Weiterverkäufen ebenfalls gehört. Solche Tageskarten dürfen aber nur Gemeinden und Städte verkaufen.» Und Monika Litscher vom Städteverband doppelt nach: «Dieser Schwarzmarkt widerspricht ganz klar den Tarifbestimmungen.»
Bei erkanntem Missbrauch muss der Reisende einen Zuschlag wegen ungültigen Fahrausweises bezahlen.
Ein Weiterverkauf ist nicht erlaubt
In diesen Bestimmungen stehe klar, dass nur Personen mit einer Tageskarte beispielsweise von Baden (AG) unterwegs sein dürfen, wenn sie auch wirklich in Baden wohnen, sagt Thomas Ammann, Mediensprecher der ÖV-Branchenorganisation Alliance Swisspass: «Die Tarifbestimmungen schliessen den Weiterverkauft explizit aus. Dies steht auch so auf dem Billett. Bei erkanntem Missbrauch muss der Reisende einen Zuschlag wegen ungültigen Fahrausweises bezahlen.» Sprich: Er wird als Schwarzfahrer gebüsst und muss rund 100 Franken hinblättern.
In der Vergangenheit seien auch schon Leute mit solch ersteigerten Gemeinde-Tageskarten erwischt worden, sagt Ammann: «Beispielsweise waren Touristen mit einer solchen Tageskarte unterwegs und wurden entsprechend gebüsst.»
Warum werden Verkäufer nicht zu Rechenschaft gezogen?
Eigentlich müsste es aber im Interesse von Alliance Swisspass liegen, die Internet-Verkäufer der Gemeindetageskarten zu büssen und nicht die ahnungslosen Käufer. Dies sei alles andere als einfach, sagt Ammann: «Es würde den Rahmen sprengen, wenn wir auch noch den Internet-Verkäufer eruieren müssten. Unsere Kontrollaufgabe beschränkt sich auf den öffentlichen Verkehr, dort können wir auch Zuschläge erheben.»
Die Tageskarte Gemeinde in der jetzigen Form ist – nicht zuletzt wegen des unerlaubten Zwischenhandels – ein Auslaufmodell. Ab 2024 gibt es die neue Spartageskarte Gemeinde. Diese ist personalisiert auf den Namen der Person, die damit unterwegs ist. Kein Problem beim Weiterverkauf übers Internet gibt es übrigens bei den normalen SBB-Tageskarten. Diese sind übertragbar, kosten aber auch einiges mehr.
Die ursprünglichen Ticketverkaufsbedingungen einzuhalten, liegt in der Verantwortung des Verkäufers.
Ricardo: Noch kein Handlungsbedarf
Die Verantwortlichen von Ricardo sehen wegen der versteigerten Gemeinde-Tageskarten vorderhand keinen Handlungsbedarf. Zum einen sei der Handel von nicht personalisierten Tickets gemäss den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Ricardo nicht verboten, schreibt die Medienstelle auf Anfrage von «Espresso». Die ursprünglichen Ticketverkaufsbedingungen einzuhalten, liege deshalb in der Verantwortung des Verkäufers. Zum anderen stelle man fest, dass aktuell nur eine Handvoll solcher Tageskarten angeboten werden und zudem nicht zu überteuerten Preisen – es seien also vermutlich keine gewerbsmässigen Wiederverkäufe.
Die Medienstelle fügt aber an, dass sich die Situation mit der Einführung der personalisierten Tageskarten im 2024 ändere: «Wir werden dann entsprechende Tickets von der Plattform entfernen.»