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Invalidenversicherung Bund vergibt keine Aufträge mehr an umstrittene Gutachter-Firma

Begründung: Man habe in den ärztlichen IV-Gutachten des Instituts PMEDA «formale und inhaltliche Mängel» festgestellt.

Seit Jahren steht die in Zürich ansässige Firma PMEDA wegen schludriger und fehlerhafter IV-Gutachten in der Kritik. Der «Kassensturz» hat mehrfach berichtet.

Ungeachtet aller Kritik haben das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) und die Invalidenversicherung an der Zusammenarbeit mit dem umstrittenen Institut festgehalten.

Neue Kommission hat Kritik bestätigt

Unterdessen hat die im letzten Jahr gegründete, unabhängige Kommission für die Qualität bei der medizinischen Begutachtung (EKQMB), Gutachten der PMEDA unter die Lupe genommen und «formale und inhaltliche Mängel» gefunden. Details seien noch keine genannt worden, sagt BSV-Mediensprecher Rolf Camenzind im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso», aber: «Nun ist es für das BSV und die Invalidenversicherung klar, dass wir natürlich nicht mehr mit der PMEDA zusammenarbeiten können.»

Fall PMEDA: Opferanwalt erfreut und kritisch

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Anwalt Luzius Hafen vertritt mehrere Betroffene und zeigt sich auf Anfrage von «Espresso» «erfreut und überrascht» über den Entscheid des Bundes. Dass man aber jetzt nur die noch hängigen Fälle mit PMEDA-Dossiers nochmals überprüfen will, hält Hafen für «sehr stossend und bitter für all die Betroffenen, die mit ihren Fällen dazu beigetragen haben, dass die PMEDA nun keine Aufträge mehr erhält.». Er wolle sich dafür einsetzen, dass auch diese Betroffenen eine zweite Chance bekommen: Diese Leute seien um ihre IV-Rente betrogen worden und dabei dürfe es nicht bleiben.

Nur hängige Fälle werden nochmals geprüft

Und: Der Bund habe die IV-Stellen angewiesen, bereits vorliegende Gutachten der PMEDA einer erneuten Qualitätskontrolle zu unterziehen. Aber, so Camenzind, es würden nur jene Fälle überprüft, bei denen noch kein rechtskräftiger Leistungsentscheid vorliege.

Aktuell laufen bei der PMEDA noch Aufträge über 16 bi- und 55 polydisziplinäre Gutachten, die vor dem 1. Juli 2023 vergeben wurden. Auch diese müssten entsprechend überprüft werden, sobald sie der IV-Stelle vorliegen, so das BSV. Der 1. Juli ist deshalb der Stichtag, weil die PMEDA seit dann von sich aus keine neuen Aufträge mehr angenommen hat. Weshalb, bleibt vorderhand offen.

Verdacht auf Gefälligkeitsgutachten

Vor einem Jahr hatte Gesundheitsminister Alain Berset eine Sistierung des Auftrags für PMEDA für noch nicht angezeigt erklärt. Gegen das Büro liefen schon damals verschiedene Strafverfahren. 2020 habe eine behördliche Überprüfung jedoch ergeben, dass das fragliche Büro die fachlichen Voraussetzungen zur Ausführung von IV-Gutachten erfülle.

Seit längerem steht bei PMEDA jedoch der Verdacht von Gefälligkeitsgutachten im Raum. Der Anspruch auf Leistungen der IV wird meistens in medizinischen Gutachten abgeklärt. Seit 2022 müssen Gutachtergespräche aufgezeichnet werden.

Espresso, 05.10.23, 08:10 Uhr ; 

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