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Darf der Arbeitgeber mir den Lohn streichen, wenn ich krank bin?
Aus Espresso vom 02.05.2023. Bild: Imago Images / UIG
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Lohnausfall bei Krankheit Krank – und keiner zahlt

Unbezahlte Karenztage: Arbeitgeber dürfen je nach Vertrag für die ersten Krankheitstage keinen Lohn bezahlen.

Spätestens seit Corona wissen wir: Angeschlagen und grippig zur Arbeit gehen ist keine gute Idee – weder für die eigene Gesundheit noch für die Gesundheit der Arbeitskolleginnen und -kollegen. Allerdings: Erhält man für einzelne Krankheitstage keinen Lohn, fällt das schnell ins Gewicht. Eine «Espresso»-Hörerin hat das erlebt. Sie hatte im Winter aufgrund einzelner, kurzer Krankheitsabwesenheiten 600 Franken weniger Lohn auf dem Konto. Sie klopft deshalb beim Konsumentenmagazin an und fragt: «Darf der Arbeitgeber das?»

Karenztage sind erlaubt

Er darf. Wie lange und ab wann ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin bei Krankheit Lohn erhält, ist abhängig davon, ob der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen hat oder nicht. Diese Versicherungen übernehmen die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Eine solche Versicherung ist per Gesetz nicht vorgeschrieben. Eine Versicherungslösung muss dabei mindestens gleichwertig sein wie die Gesetzeslösung.

Zudem sind ein bis drei sogenannte Karenztage erlaubt. An diesen Tagen muss der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin keinen Lohn auszahlen. Diese Karenztage gelten immer zu Beginn einer Krankheitsperiode.

Beispiel Lohnfortzahlung bei Krankheit

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Das Gesetz schreibt vor, dass der Arbeitgeber den vollen Lohn für eine bestimmte Dauer pro Dienstjahr zu bezahlen hat. Dies gilt aber nur für wenige Wochen und hängt von der Anstellungsdauer ab. Im ersten Anstellungsjahr dauert die Lohnfortzahlung nur drei Wochen.

Gleichwertige Leistung mit einer Krankentaggeldversicherung bedeutet: Die Lohnfortzahlung beträgt zwar «nur» 80 Prozent, dauert dafür aber viel länger. Beispielsweise gelten 80 Prozent des Lohnes während 720 Tagen als gleichwertig.

Karenztage im GAV vorgesehen

Im Fall der betroffenen «Espresso»-Hörerin steht im Gesamtarbeitsvertrag: «Die ersten zwei Kalendertage gelten als unbezahlte Karenztage.» Konkret heisst das: Wenn eine Angestellte drei Tage mit Grippe flach liegt und nicht arbeiten kann, sind die ersten beiden Krankheitstage unbezahlt. Fällt dieselbe Angestellte im selben Monat nochmals drei Tage aus, beispielsweise aufgrund akuter Rückenschmerzen, sind die ersten beiden Krankheitstage erneut Karenztage.

Diese Regelung gilt nicht bei einem Rückfall. Beispiel: Die Angestellte geht wieder zur Arbeit, nach drei Tagen gibt es einen Rückfall. Die Rückenschmerzen sind wieder da, die Angestellte fehlt erneut drei Tage. In diesem Fall kann der Arbeitgeber keine Karenztage mehr geltend machen.

Karenztage gegen Blaumacher

Gewerkschafter kritisieren diese Regelung. Seitens Syndicom heisst es, dass diese Karenztage falsche Anreize setzen würden. Einerseits animierten diese unbezahlten Krankheitstage dazu, nach überstandener Krankheit doch noch einen zusätzlichen Tag zu Hause zu bleiben, um so wenigstens noch einen bezahlten Krankheitstag «ausnutzen» zu können. Auch Kurt Pärli, Professor für Soziales Privatrecht an der Universität Basel, sieht die Karenztage problematisch: «Es kann dazu führen, dass jemand, der sich es sich schlicht nicht leisten kann, zwei Tage keinen Lohn zu erhalten, trotz Krankheit zur Arbeit geht.»

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Der Arbeitgeberverband auf der anderen Seite schreibt in einer Stellungnahme: «Einzelne Unternehmen beobachten teilweise eine etwas gehäufte Montags- und Freitagskrankheit. Die Karenztage tragen dazu bei, einen möglichen Missbrauch zu verhindern.» Eine Beobachtung aller Krankheitsabsenzen in einem Unternehmen zeige oft, dass es sich in vielen Fällen um Kurzabsenzen handle.

Espresso, 02.05.23, 08:13 Uhr

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