Eine Hörerin des SRF-Konsumentenmagazins «Espresso» will wissen, wo ihre Migros-Orangen herkommen, und entdeckt auf der Etikette per Zufall den Vermerk «Behandelt mit Imazalil». Die Migros-Kundin gibt den Stoff in einer Suchmaschine ein und erschrickt.
Im Internet steht, dass die Chemikalie im Tierversuch Leber- und Schilddrüsentumore verursacht und sich negativ auf die Fortpflanzung ausgewirkt habe. Auch sei es in manchen Fällen zu Blutdruckabfall, Koordinationsstörungen und Zittern gekommen. Die Hörerin schreibt: «Mir ist klar, dass in den heutigen Lebensmitteln überall Pestizide sind und trotzdem bin ich schockiert.»
Was ist Imazalil und wie schädlich ist es?
Imazalil ist ein Anti-Schimmel-Mittel, welches bei Zitrusfrüchten nach der Ernte eingesetzt wird, damit die Früchte weniger schnell schimmeln. Migros schreibt dazu: «Die Migros hält sich an sämtliche Vorgaben, die das Schweizer Lebensmittelrecht bezüglich Rückständen von Pestiziden definiert. Das gilt für inländische und ausländische Lebensmittel gleichermassen.» Auch bei anderen Detailhändlern kommt Imazalil bei konventionellen Zitrusfrüchten zum Einsatz.
BLV: «Gilt als vermutlich krebserregend»
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, BLV, bestätigt auf Anfrage, das Fungizid Imazalil werde als vermutlich krebserregend eingestuft. Und weiter: «Rückstandshöchstgehalte müssen nicht nur gesundheitlich sicher sein, sondern müssen so tief wie möglich festgelegt werden. Somit ist gewährleistet, dass krebsbildende Rückstandsmengen nicht erreicht werden.» Es würden nur Mengen an Rückständen von Pflanzenschutzmitteln akzeptiert, welche die Höchstgrenze einhielten und daher gesundheitlich sicher seien, so das BLV.
Imazalil steht unter EU-Beobachtung
Die Recherche des SRF-Konsumentenmagazins zeigt: Imazalil steht bei der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit seit 2018 unter Beobachtung. Es ist nicht restlos geklärt, ob in den Früchten wegen des Fungizids ein Abbauprodukt entsteht, das das Erbgut der Menschen schädigt. Bis jetzt ging man davon aus, dass das nicht der Fall ist. Wenn es doch so wäre, müsste man das Anti-Schimmel-Mittel viel strenger beurteilen, sagt ein Toxikologe gegenüber SRF.
BLV: «Es bestehen Datenlücken»
Das BLV schreibt dazu: Nach aktuellem Wissensstand sei bisher kein erbgutverändernder Effekt beobachtet worden: «Es bestehen aber Datenlücken.» Die EU habe nun vom Hersteller weitere Daten zur Giftigkeit dieser Abbauprodukte erhalten. «Diese werden aktuell bewertet. Die Lücken könnten durch die nachgereichten Daten geschlossen werden», so das BLV.
Keine Lust auf Fungizid: Sind Bio-Früchte die Lösung?
Das ist wohl eine Glaubensfrage. Bio-Suisse schreibt dazu, Bio-Früchte würden nie mit chemisch-synthetischen Mitteln behandelt. Nach Ernte würden Bio-Zitrusfrüchte generell nicht mehr behandelt. Das BLV meint, zum Kochen oder Backen empfehle man Bio-Zitrusfrüchte. «Ansonsten sollte nicht aus Angst vor Pflanzenschutzmittelrückständen auf den Konsum von Früchten verzichtet werden.»
Im Jahr 2014 testete die deutsche Stiftung Warentest Zitronen und Limetten auf Rückstände von Pestiziden. Die Resultate lagen bis auf eine Ausnahme im Grenzwert. Doch in fast der Hälfte der Früchte fanden sich Mehrfachrückstände: bis zu vier Pflanzenschutzmittel in einer Frucht – also ein kleiner Pestizid-Cocktail.