Im Krimi heissts jeweils: «Sie haben das Recht zu schweigen» – oder: «Ich sage nichts ohne meinen Anwalt». Was aber, wenn ich nach einem schlimmen Unfall oder an einer Demo verhaftet werde? Woher nehme ich schnell einen Anwalt? Strafrechtsexperte Simon Huwiler gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.
SRF: Fällt bei Verhaftungen durch die Polizei der Satz «Sie haben das Recht zu schweigen» auch im realen Leben?
Simon Huwiler: Das gibt es tatsächlich nicht nur im Film. Die Polizei muss eine beschuldigte Person immer zuerst über ihre Rechte informieren, bevor sie Informationen oder Aussagen von ihr verlangt. Dazu gehört das Recht zu schweigen und das Recht auf einen Anwalt.
Oft hört man von Film-Gangstern auch «Ich sage nichts ohne meinen Anwalt». Auch das ist nicht nur Fiktion?
Nein, als beschuldigte Person haben Sie tatsächlich immer das Recht auf einen Anwalt oder eine Anwältin – unabhängig davon, ob es sich um eine Bagatelle oder ein schweres Delikt handelt.
Ein konkreter Tipp, ob man eher schweigen soll oder nicht, gibt es nicht.
Bei schweren Delikten, beispielsweise einem Raserdelikt, besteht sogar die Verpflichtung, dass Ihnen jemand zur Seite gestellt wird. Dies ist dann die Pflichtverteidigerin oder der Pflichtverteidiger.
Wirkt Schweigen gegenüber der Polizei nicht verdächtig?
In der Strafprozessordnung ist klar festgehalten, dass die Strafverfolgungsbehörden einer beschuldigten Person eine Aussageverweigerung nicht negativ anlasten dürfen.
Was ist Ihre Erfahrung: Schadet es oder nützt es eher, wenn man schweigt?
Ein konkreter Tipp, ob man eher schweigen soll oder nicht, gibt es nicht – das ist in jedem Fall individuell. Es kann aber gerade am Anfang eines Verfahrens ratsam sein, die Aussage zu verweigern.
Im Befragungsstress gerät man leicht in Widersprüche, die gegen einen verwendet werden können.
Dies gilt insbesondere auch dann, wenn man unschuldig ist. Der Grund dafür ist, dass man in einer Stresssituation während einer Befragung leicht in Widersprüche geraten kann, die dann gegen einen verwendet werden könnten.
Die meisten Leute, die von der Polizei festgenommen werden, haben vermutlich keinen Anwalt: Wie komme ich in so einer Situation zu einer Anwältin?
Eine Verhaftung ist eine Stresssituation, in der man oft nicht die Zeit hat, nach einem geeigneten Strafverteidiger zu googeln. Wenn Sie keinen Anwalt nennen können, wird die Polizei in der Regel über eine sogenannte Pikettliste einen organisieren.
Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass eine solche Pikettliste oft eine «Blackbox» ist. Auf dieser Liste sind nicht nur Strafrechtsspezialisten. Es kann also passieren, dass Sie von einem Anwalt vertreten werden, der hauptsächlich auf andere Rechtsgebiete spezialisiert ist, wie zum Beispiel Scheidungen.
Was ist, wenn meine Tochter oder mein Sohn eine Dummheit begeht und verhaftet wird? Gilt bei Minderjährigen etwas Spezielles?
Das Recht auf einen Anwalt und das Aussageverweigerungsrecht gelten selbstverständlich auch für Minderjährige und Jugendliche. Eine Besonderheit ist jedoch, dass die Eltern bei den Befragungen der jugendlichen Person weitgehend dabei sein dürfen. Und die Eltern dürfen beispielsweise auch Einsicht in die amtlichen Akten nehmen.
Die meisten von uns denken, dass sie selbst sicher nie von der Polizei verhaftet oder befragt werden. Wiegt man sich da in falscher Sicherheit?
Ja, das ist eine falsche Sicherheit. Nach meiner Erfahrung kann man schneller in eine solche Situation geraten, als einem lieb ist. Es ist auch zu beachten, dass man oft als völlig unschuldige Person in ein Strafverfahren hineingezogen wird und Aussagen machen muss.
Das Gespräch führte Yvonne Hafner.