Zuerst dachte die Patientin an einen Fehler, als die Rechnung über fast 60 Franken in ihrem Briefkasten landete. Welche Leistungen sie damit bezahlen sollte, konnte sie sich nicht erklären. Auf ihre Nachfrage teilte ihr der Arzt mit, die Rechnung sei für die Terminabsage, die sie ihm per Mail geschickt habe.
«Das finde ich unerhört!», sagt die Frau zum SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Sie habe den Termin per Mail abgesagt – aber eine Woche im Voraus. Dass ihr der Arzt diese Absage in Rechnung stellt, kann sie nicht nachvollziehen. Doch seine Antwort ist unmissverständlich: Die Rechnung sei «für Ihre Mail», schreibt er ihr. Denn das Lesen, Bearbeiten und Beantworten von Mails werde «sehr wohl in Rechnung gestellt». Das nehme Zeit in Anspruch und gehöre gemäss Tarifsystem zur Arbeit.
Selbstverständlich können administrative Vorgänge weder der Grundversicherung noch dem Patienten in Rechnung gestellt werden.
Arzt auf dem Holzweg
Können Patientinnen und Patienten Termine nicht wahrnehmen, so müssen sie diese in der Regel nicht bezahlen. Susanne Gedamke, Geschäftsführerin der Patientenorganisation SPO sagt dazu: «Ein Arzt oder eine Ärztin darf einen abgesagten Termin nur dann verrechnen, wenn dadurch ein Leistungsausfall entsteht.» Ein solcher müsste aber nachgewiesen werden können. Und die eigentliche Absage als Leistung zu verrechnen, sei nicht zulässig: «Dadurch entstehen ja kaum Leistungsausfälle.»
Dass der besagte Arzt auf dem Holzweg war, bestätigt auch dessen Vorgesetzter. Gegenüber «Espresso» schreibt dieser, die Patientin habe die Rechnung zu Recht beanstandet und der Betrag werde ihr erstattet: «Selbstverständlich können administrative Vorgänge weder der Grundversicherung noch dem Patienten in Rechnung gestellt werden.» Im konkreten Fall sei der Arzt «zum Zeitpunkt der beanstandeten Verrechnung noch in der Einführungsphase» gewesen. Davor habe er nur im Rahmen grösserer Institutionen mit Sekretariat gearbeitet.
Bei Verdacht das Gespräch suchen
Haben Patientinnen und Patienten den Eindruck, ein Arzt hätte nicht erbrachte oder anderweitig ungerechtfertigte Leistungen verrechnet, sollten sie das Gespräch suchen, sagt SPO-Geschäftsführerin Gedamke. Möglicherweise kläre sich der Sachverhalt dann: «Ärztinnen und Ärzte verrechnen häufig Leistungen, bei denen Patienten kaum nachweisen können, ob diese erbracht wurden oder nicht.» Das seien sogenannte «Leistungen in Abwesenheit des Patienten» wie beispielsweise Telefonate oder Aktenstudium. «Natürlich dürfen diese Leistungen abgerechnet werden», aber es sei als Patient, wie gesagt, fast unmöglich, sie zu kontrollieren.
Wenn nach dem Gespräch ein ungutes Gefühl bleibt, kann man sich bei einer Patientenstelle oder der Patientenorganisation melden – oder auch bei der eigenen Krankenversicherung.