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Wenn die Annullation der Reise ins Geld geht
Aus Espresso vom 10.01.2023. Bild: Imago Images
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Verwirrung um Stornorechnung Reise nach Annullation teurer als am Anfang – geht das?

Eine Kundin wundert sich, weshalb sie für abgesagte Ferien am Roten Meer mehr bezahlen soll, als wenn sie geflogen wäre.

Eine Woche lang mit einem Kollegen am Roten Meer entspannen – dies war der Plan einer älteren Dame aus dem Kanton Bern für Anfang Oktober 2022. Sie buchte die Reise mit ihrem Kollegen beim nächstgelegenen Reisebüro, Belpmoos Reisen. Rund 1800 Franken pro Person kostete das Arrangement.

Ich habe mich miserabel gefühlt und sah mich nicht in der Lage, zu fliegen.
Autor: Betroffene

Doch die Gesundheit machte der Frau einen Strich durch die Rechnung. «Ich habe mich miserabel gefühlt und sah mich nicht in der Lage, zu fliegen», erzählt sie im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Gut zehn Tage vor der Abreise entscheidet sie sich, die Reise zu stornieren. Der Kollege fliegt allein nach Ägypten.

Als die Kundin dann die Annullationsrechnung erhält, stellt sie erstaunt fest: Sie muss rund 50 Franken mehr bezahlen, als wenn sie in die Ferien geflogen wäre. «Das kann doch nicht sein», sagt sie und findet, dass man ihr doch zumindest in gewissen Belangen wie dem Essen im Hotel hätte entgegenkommen können.

140 Franken Gebühren

Die Abrechnung liegt «Espresso» vor: Die Gesamtsumme von rund 1710 Franken plus 60 Franken Bearbeitungsgebühr und 80 Franken Stornogebühr ergeben rund 1850 Franken. Das Reisebüro verweist zudem auf seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und auf jene von Hotelplan. Letzteres ist der eigentliche Veranstalter der Reise. Belpmoos Reisen verkauft Angebote von verschiedenen Playern in der Reisebranche – an sich nichts Aussergewöhnliches.

Doch welche AGB gelten jetzt? Und weshalb ist die Summe so hoch? Den AGB von Belpmoos Reisen und Hotelplan entnimmt man, man zahle 50 Prozent des Arrangements «bis 8 Tage vor Abreise». Wie kommt man so auf mehr als 1800 Franken?

Etwas Kulanz «ohne Anerkennung einer Rechtspflicht»

Eine verständliche und nachvollziehbare Erklärung zu erhalten, erweist sich als schwieriges Unterfangen. Immerhin: Das Reisebüro erlässt der Kundin die Stornogebühr von 80 Franken aus Kulanz und «ohne Anerkennung einer Rechtspflicht». Ansonsten hält es aber in einer ersten Stellungnahme an die Kundin und an «Espresso» fest, die Abrechnung sei korrekt. Massgebend seien die AGB von Hotelplan.

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Hier weniger, dort mehr

Nach monatelangem Hin und Her stellt sich dann heraus, dass man der Kundin unter dem Strich rund 300 Franken zu viel berechnet hat. Die Hotelkosten wurden auf 50 Prozent reduziert, beim Flug gebe es indes keinen Spielraum gegenüber der Airline, deshalb gilt hier weiterhin der volle Preis.

Doch habe man auch nicht 300 Franken zu viel einkassiert, schreibt das Reisebüro, der Kollege der Kundin habe dafür günstiger allein im gebuchten Doppelzimmer nächtigen können – für rund 300 Franken weniger. Nach einer Kreuz- und Quer-Berechnung geht die Rechnung also am Ende dann irgendwie doch noch auf.

Allgemein ist es möglich, dass die Annullationsrechnung mit allen Gebühren höher ausfallen kann als die Kosten der Reise.
Autor: Reto Ineichen Reiserechtsexperte

Reiserechtsexperte kritisiert Kommunikation

Für den Reiserechtsexperten Reto Ineichen von der Hochschule Luzern ist dieser Fall alles andere als ein Musterbeispiel für Transparenz und verständliche Kommunikation. «So nicht», lautet sein Verdikt auf Anfrage.

Aber: Bezogen auf die Stornorechnung und die AGB habe das Reisebüro unter dem Strich nicht viel falsch gemacht. Das sei mehr oder weniger so branchenüblich. Und ganz allgemein sei es möglich, dass die Annullationsrechnung mit allen Gebühren höher ausfallen könne als die Kosten der Reise. Die Veranstalterin oder das Reisebüro müssten den Kundinnen und Kunden aber bereits beim Buchen und in der entsprechenden Bestätigung klar erläutern, was die Regeln sind.

Espresso, 10.01.23, 08:13 Uhr

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