Im Laden wirken die Rüebli frisch – ab damit in den Einkaufskorb. Doch schon nach wenigen Tagen im Kühlschrank folgt die Enttäuschung. Schwarze Flecken tauchen auf. Der Bösewicht: Ein Schimmelpilz, der zur sogenannten Schwarzen Wurzelfäule führt.
Bei der Ernte sind die Flecken noch nicht sichtbar, sondern erst bei der Lagerung. Viele solche verdorbenen Rüebli landen deshalb im Abfall: «Das ist schade fürs Geld und es entsteht viel Foodwaste», sagt Simon Jäggi. Er ist wissenschaftlicher Assistent an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL). Hier entwickeln Forscherinnen und Forscher nun ein Mittel gegen die Schwarze Wurzelfäule.
Superkraft Bakterien
In Zukunft sollen Bakterien den Schimmelpilz in Schach halten. Was zunächst ungewöhnlich klingt, ist laut Jäggi ein biologischer Schutzfilm. Es handle sich um Bakterien, die natürlicherweise schon auf den Karotten vorhanden seien. «Wir reichern sie an und tragen eine erhöhte Dosis auf die Rüebli auf.» Dafür tauchen die Forscherinnen und Forscher die Karotten in ein Bakterienbad – eine Salzlösung mit den Mikroorganismen drin.
Das Bakterienbad in Bildern
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Bild 1 von 5. Ähnlich wie Leimspuren: die Bakterien in der Petrischale. Sie sollen den Schimmelpilz als biologischer Schutzfilm hemmen. Bildquelle: SRF / Luca Fuchs.
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Bild 2 von 5. Für die «Kur» löst Simon Jäggi die Bakterien in einer Salzlösung auf. Diese unterstützt die Ansiedlung der Mikroorganismen auf den Rüebli. Bildquelle: SRF / Luca Fuchs.
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Bild 3 von 5. Zehn Minuten lang müssen die frischen Rüebli im Bakterienbad bleiben. Danach zeigt sich bei wöchentlichen Kontrollen, wie gut die Behandlung gewirkt hat. Bildquelle: SRF / Luca Fuchs.
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Bild 4 von 5. Das Forschungsteam hat in den letzten fünf Jahren zahlreiche Versuche gemacht – mit verschiedenen Bakterienstämmen und unzähligen Karotten. Bildquelle: SRF / Luca Fuchs.
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Bild 5 von 5. In der Forschung geht es auch darum, wie hoch die Bakterienkonzentration sein muss. Hier sind Tests mit einer niedrigen Dosis, eine Woche nach dem Bakterienbad. Bildquelle: SRF / Luca Fuchs.
Seit fünf Jahren läuft die Forschung zur neuen Behandlungsmethode. Die Ergebnisse sind vielversprechend. Je nach Bakterienstamm bleiben die Karotten bis zu drei Wochen länger haltbar. Setzt sich die Methode durch, wäre die Wirkung für die Konsumentinnen und Konsumenten also gross. Bisher gibt es keine wirksame Behandlung.
Pilz auch auf Bohnen und Pfirsichen
Der Schimmelpilz «Berkeleyomyces basicola» befällt nebst Karotten zahlreiche weitere Pflanzen. Laut Hochschule sind beispielsweise auch Bohnen, Zucchini, Äpfel oder Pfirsiche davon betroffen. Auch hier könnten die Bakterien dereinst als Schutzschild schwarze Flecken hemmen: «Die Idee ist, die Methode auch auf weiteres Gemüse und Früchte anwenden zu können», sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Fanny Louviot.
Dies ist jedoch alles Zukunftsmusik – derzeit fokussiert das Forschungsteam auf die Karotten. Hier sind noch viele Fragen offen: Wie können Gemüseproduzentinnen und Gemüseproduzenten die Behandlung im grossen Stil einsetzen? Funktioniert die Behandlung auch bei unterschiedlichsten Lagerbedingungen? Und ist das Bakterienbad gesundheitlich unbedenklich? Solche Punkte sollen in den nächsten drei Jahren erforscht werden. Das Bundesamt für Landwirtschaft finanziert das Projekt.
Strenge Vorschriften für die Zulassung
Da die eingesetzten Bakterien von den Karotten stammen, ist Simon Jäggi zuversichtlich: «Wenn wir rohe Rüebli essen, nehmen wir die Bakterien auch auf. Zudem wissen wir haargenau, um welche Bakterienstämme es sich handelt.» Dennoch müssten weitere Tests bestätigen, dass der biologische Schutzfilm für Gesundheit und Umwelt unbedenklich sei.
«Die Vorschriften für Bio-Pflanzenschutzmittel sind ziemlich kompliziert», ergänzt Fanny Louviot. Bis zur Zulassung des Mittels sei es daher noch ein weiter Weg. Für Konsumentinnen und Konsumenten gibt es in der Zwischenzeit folgende Tipps:
- Ab mit den Karotten in den Kühlschrank. Der Schimmelpilz breitet sich bei Kälte weniger aus.
- Lassen Sie die Rüebli nach dem Einkauf am besten im Plastiksack. Dieser ist perforiert und garantiert eine gewisse Luftzirkulation.
- Entfernen Sie Karotten, die schwarze Flecken haben, aus dem Sack – damit der Schimmelpilz die anderen Rüebli darin nicht befällt.