Hausbesuche rund um die Uhr: Das bieten die Mobilen Ärzte seit 2010 im Grossraum Basel an. Die Firma aus Allschwil verfügt über ein fahrendes Labor, mit dem die medizinische Assistentin vor Ort auch Blut untersuchen kann.
Dass die Mitarbeitenden einen harten Job haben, bestätigt Michael Gloger, der Chefarzt der Mobilen Ärzte in einem Zeitungsartikel im Januar und betont, wie «wichtig die Erholungsphase» für seine Angestellten sei.
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Übermüdet am Steuer
Ein Hohn für viele ehemalige Angestellte. «Kassensturz» trifft fünf medizinische Mitarbeitende, die bei den Mobilen Ärzten für den Telefon- und Fahrdienst zuständig waren. Aus Angst vor Repressalien ihres ehemaligen Arbeitgebers wollen sie anonym bleiben.
Die Arbeitsbelastung sei zeitweise massiv gewesen. Tages-und Wochen-Höchstarbeitszeiten seien regelmässig überschritten worden. 24 Stundendienste ohne Pausen waren häufig. «Es war ganz schrecklich. Ich hatte oft das Gefühl, ich schlafe hinter dem Steuer ein», erzählt ein ehemaliger Mitarbeiter. Gegenüber «Kassensturz» beklagen auch andere Mitarbeitende diese Missstände.
Der Regionalsekretär der Gewerkschaft Syna, Stefan Isenschmid, kennt Details der Arbeitsbedingungen bei den Mobilen Ärzten. Die Arbeitszeit wurde weder korrekt erfasst noch angerechnet. Für ihn ist klar: die Angestellten wurden schlichtweg ausgebeutet. Man habe Schichten aneinandergereiht, bis zu 36 Stunden, im Einzelfall sogar sieben Tage am Stück.
Auch Nachtzuschläge seien nicht geleistet worden, Nachtruhezeiten nicht eingehalten, Ferientage an Wochenendtagen abgerechnet worden. «Es ist also relativ massiv, was da abgeht», sagt Isenschmid im «Kassensturz».
Ausgedehnte Diagnostik auf Anweisung der Chefs
Auch bei den Patienten sollten die Angestellten das finanzielle Maximum herausholen. «Wir hatten von der höheren Chefetage auch Anweisungen, dass wir Diagnostik vor Ort ausgedehnt durchführen müssen», erzählt ein ehemaliger Angestellter.
Zudem hätten die Mitarbeitenden Panels – eine Art Chemielabor – deren Ablaufdatum nahelag, noch durchlaufen lassen müssen, damit diese noch verrechnet werden konnten.
Gefährdung von Patienten
«Kassensturz» trifft einen weiteren Informanten, einen Arzt. Sein Vorwurf: Die Geschäftsleitung habe die Mitarbeitenden stark unter Druck gesetzt, auch Patienten zu behandeln, zu denen eigentlich die Sanität mit Blaulicht hätte fahren müssen. Bei vitaler Gefährdung sei es wichtig, dass diese möglichst rasch versorgt werden – wie zum Beispiel Herzinfarkte, Schlaganfälle.
Doch der Arzt erzählt: «Wir wurden richtig gezwungen, diese Fälle vorher zu sehen.» Dies habe dazu geführt, dass viel zu lange dauerte, bis solche Leute im Spital waren, da die Mobilen Ärzte auch in Stauzeiten durch das ganze Baselbiet fuhren und keine Blaulicht-Genehmigung hatten.
Neun weitere ehemalige Mitarbeitende bestätigen den Vorwurf der Patientengefährdung. Wer sich weigerte, sei zurechtgewiesen worden und habe sich schriftlich rechtfertigen müssen.
Zürcher SOS-Ärzte mit Blaulichtbewilligung
Im Kanton Zürich bieten die SOS-Ärzte seit fast 20 Jahren rund um die Uhr Hausbesuche an. Im Gegensatz zu den Mobilen Ärzten in Basel haben sie eine Blaulichtbewilligung. Trotzdem übernehmen sie lebensbedrohliche Notfälle nur, wenn einer ihrer ausgebildeten Notärzte den Patienten innert 15 Minuten versorgen kann, betont der ärztliche Leiter Jan Röhmer.
Jan Röhmer, aerztlicher Leiter der SOS-Ärzte in Zürich erklärt: «Wenn wir sehen, dass unser Notarzt gerade bei einem Patienten besetzt ist, dann macht dies für uns keinen Sinn, den Patienten warten zu lassen, dann anvisieren wir die Sanität, und dann wird die Sanität ausrücken und den Patienten versorgen.»
Auf Anfrage von «Kassensturz», erklärt die Gesundheitsdirektion Baselland und das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, dass sie die Vorwürfe gegenüber den Mobilen Ärzte abklären.
Der Chefarzt der Mobilen Ärzte, Michael Gloger nimmt im «Kassensturz»-Studio Stellung. Schritlich haben Mobile Ärzte «Kassensturz» mitgeteilt:
- Die Mobilen Ärzte hätten im Notfallsystem Baselland eine klare zugewiesene Rolle. Bei erkennbar lebensgefährlichen Situationen werde direkt die Sanität avisiert. Solche Fälle würden nicht zu den Mobilen Ärzten gelangen. Die Patientensicherheit habe bei den Mobilen Ärzten allerhöchste Priorität.
- Die Arbeitsbelastung sei in der Tat intensiv. Die konkreten Forderungen der Mitarbeitenden würde die Geschäftsleitung der Mobilen Ärzte erst seit kurzem kennen und diese zurzeit prüfen.
- Bis jetzt sei die Geschäftsleitung der Mobilen Ärzte davon ausgegangen, dass sie die gesetzlichen Vorgaben nicht nur einhielten, sondern teilweise sogar zugunsten des Personals übertreffen. Die Kritik würde aber überprüft.